Estichà Unterer Markt

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[FAT] Die Macht des Orakels (Teil 1) (Untermarkt)

Tafelberg @, Saturday, 16. June 2012, 21:01 @ Tafelberg

Vor den Stadttoren kehrte eine gespenstische Ruhe ein. Nur noch vereinzelt gab es Kämpfe, weit im Süden setzten Gruppen der Priesterkaste, vor allem Endrakhapriesterinnen und Delvanritter Fliehenden nach, doch jene, die den Rodungsgürtel rund um die Stadt verlassen konnten und sich in die Wälder schlugen, wurden nicht weiter verfolgt. Die Tore der Stadt wurden geöffnet und Verwundete vom Schlachtfeld geholt, so sie sich nicht selbst mühsam der Rettung versprechenden Stadt nähern konnten, über der sich das gleißende Fanal aus dem Herzen der Oberstadt in den sturmwolkenverhangenen, düsteren Himmel bohrte. Sturm peitschte über die Stadt und verwandelte das Schlachtfeld zusehends in eine Misere aus Schlamm und Matsch. Der Regen begann, den Schutt und Staub von den Dächern der Stadt zu waschen und in die Straßen zu tragen. Einige Häuser direkt am Fuße des Felsens waren von herabrutschenden Teilen des Tafelberges begraben worden, bei anderen wurden glücklicherweise nur die Dächer beschädigt. Doch am Hafen wurde weiterhin gekämpft, immer bedrohlicher wurde dort die Lage. Sragon strömten in die Stadt hinein, mutig stemmten sich die Verteidiger dagegen, schlugen Gegenangriffe und doch peitschte ihnen der Sturm in die Gesichter, fast schmerzhaft ging auf sie der unnatürliche Regen nieder, hohe Wellen und Gischt, die den Hafenplatz schon unter Wasser gesetzt hatten. Sollte all das Ringen vor den Mauern Estichàs umsonst gewesen sein und die Stadt nun doch noch vom Hafen aus fallen?

Auch der Deradan-Platz inmitten der Oberstadt glich einem Schlachtfeld, übersät von Trümmern und Toten eines erbittert geführten Kampfes. Jorrael, Mehdora-Hohepriesterin Estichàs war in eine gnädige Ohnmacht versunken, die sie die Schmerzen, die von ihren heilenden Händen ausgingen, nicht mehr spüren ließen. Die Ritter des Delvan, nur langsam nach dem Kampf um den Platz wieder zu Kräften kommend, sammelten sich um die fremdartigen Wesen, die so sehr an aufrecht gehende Ratten erinnerten. „Es ist geschafft“, richtete eines von ihnen das Wort an Voran, der erschöpft den Helm von seinem chiranischen Haupt zog. Dieser schüttelte den Kopf. „Die Schlacht ist noch nicht vorbei. Der Kampf vor der Stadt ist gewonnen. Aber der Hafen geht gerade zu Lijan.“, fasste Voran das zusammen, was er über den Äther von Monor und den Schlachtberichterstattern vernommen hatte. Die im Vergleich zu dem hoch aufragenden chiranischen Ritter kleine Gestalt blinzelte mit ihren Knopfaugen durch den Regen zu Voran hinauf. “'Habt keine Furcht' hat das Orakel gesagt.“ Und der Rattling lächelte.

Knapp vor der Küste, unberührt vom Sturm lag das düstere Gebilde im Wasser, wie ein Berg thronte es in den Wellen vor der Stadt. Ein unnatürliches Konglomerat aus verkanteten Riesenstämmen, sich auftürmenden Ästen, scheinbar auf dem Wasser wurzelnden Baumriesen, zwischen denen Plattformen errichtet waren. Blutige Rituale liefen dort ab, zahllose Leben und Seelen wurden aus zuckenden Leibern herausgerissen, um den Hunger der Sragonpriesterinnen zu stillen, die Welle um Welle vernichtender Kristallmagie der im Sturm kaum noch sichtbaren Küstenstadt entgegenschickten. Das Leuchtfeuer aus der Oberstadt schraubte sich trotzig in den vom Unwetter schwarzen Himmel, es stemmte sich als Licht der Hoffnung gegen die Dunkelheit, die von dem riesenhaften Geisterfloß ausging. Von dort aus wurde auch der Angriff auf den Hafen gelenkt, der den dort verzweifelt und tapfer kämpfenden Eluriern, Vorovisianern, Allianzlern und Gilgatern das Genick brechen könnte.

Ein sich steigerndes Wispern durchbrach den Sturm. Wie schon zuvor, als die Frauenstimme überall auf dem Schlachtfeld und in der Stadt zu hören war, entstand das Geräusch in der Luft, neben und über den Verteidigern der Stadt. Das Wispern erstarb, dann erklang in klarstem, vertrautem Chirjeya nur ein Wort, doch mit solcher Entschlossenheit gesprochen, wie eine Tatsache, die im Tiefsten der Welt verankert ist, wie ein Gesetz, dem sich jeder zu beugen hat: „Genug.“

Noch hallte dieses Wort in den Köpfen der Kämpfer nach, als sich einer der vier matt schimmernden viele Dutzend Meter breiten Schilde, die sich aus der Flanke des Tafelbergs hervorgeschoben hatten mit einem flimmernden, irisierenden Leuchten überzog. Es war jener Schild, der sich scheinbar unberührt vom Sturm dem Meer entgegenstreckte. Blicke wandten sich zu der neuen Lichtquelle, die vom über Sashtinva hängenden gewölbten Schild ausging, wer es noch nicht sah, wurde durch Rufen und Deuten darauf aufmerksam gemacht und auch die Sragon im Hafen hielten für einen Moment inne, um zu dem titanischen Gebilde aufzublicken, das sich dort erstreckte, wo in den vergangenen Jahrtausenden nur das schlichte Grau des Felsens zu sehen gewesen war.

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