Die Nacht der Toten
Die Feuerschlange hob ihr Haupt in dem Moment, als der erste Trommelschlag ertönte. Eine Flamme loderte auf, riß eine Insel der Helligkeit ins Gewebe der Finsternis, dann blühten die Feuerbrände auf, sprangen von Fackel zu Fackel, von Flammenbecken zu Flammenbecken bis die Straße erleuchtet war und die Feuerschlange streckte ihren Leib. Entlang der Wege entzündeten Soldaten der Garnison und der Armee die Fackeln, bis eine Allee aus Feuer loderte, für den letzten Marsch der Gefallenen und dumpf dröhnten die Trommeln.
Aus allen Richtungen rollte der Klang der Pauken wie Brandung durch die Stadt, dumpf und gemessen, im Gleichmaß traurigen Stolzes, mit dem Vorovis seit Jahrhunderten seine Helden zur letzten Ruhe geleitete. Arm und reich strömten zusammen, harrten schweigend ihrer Gefallener. Waren manche Augen auch feucht, es war kein Weinen oder Schluchzen zu hören. Dem Schmerz ganz überlassen hatten sich die Trauernden bei der, im kleinen Kreise abgehaltenen, Segnung der Gefallenen durch die Priester des Tempels. Jetzt aber trugen sie ihre Trauer wie eine schwere Last, doch aufrecht und unbeugsam wie der Stein, aus dem ihre Stadt gefügt war. Näher und näher kam das Dröhnen der Trommeln und dann marschierten aus einer der Straßen die erste Abteilung Trommler, gefolgt von Bannerträgern mit dem Katafalk Dhaxun Zahars. Von acht Offizieren aller Waffengattungen wurde er getragen, gehüllt in die Fahne, für die er gefallen war, den eisernen Stern von Vorovis auf der Brust. Ihm folgte eine andere Abteilung Trommler und hinter ihnen die Gefallenen im Kampf um die Zitadelle. Unter ihnen Ayra Nergal inmitten ihrer Soldaten, die sie in den letzten Angriff geführt hatte. Stumm schritten hinter ihnen der Reichsprovisor, einen schwarzen Umhang über der Rüstung in der Farbe vergossenen Blutes, flankiert von seiner Leibwache. Von allen Aufbahrungsplätzen geleiteten Trommler die Toten und keinen Augenblick verstummte das Dröhnen der Pauken. Kein Kommando wurde laut als die Kolonnen einschwenkten und sich formierten. Allen voran die Bannerträger, dann die Abteilungen der Trommler und hinter ihnen die Gefallenen, zweihundertsiebenundneuzig stumme Leiber, gehüllt in die Fahne, für die sie gekämpft und das letzte Opfer gebracht hatten, an ihrer Spitze der Bezwinger der Erzverräterin, Dhaxun Zahar. Als der Reichsprovisor den Stab des Gesetzes hob und ihn wieder sinken ließ, setzte sich der Zug endgültig in Bewegung. Jetzt schlossen sich langsam und gemessen die Trauernden an. Auf Befehl des Reichsprovisors gab es keine trennende Marschordnung. Die Mächtigen des Reiches geleiteten die Gefallen gemeinsam mit dem einfachen Volk, ganz Vobra war vereint in Trauer. Durch die Allee aus Feuer marschierten die Toten, deren bleiche Gesichter mit geschlossenen Augen in den nächtlichen Himmel starrten, dessen Licht für sie erloschen war. In den Straßen reihten sich die Fackelträger am Ende des Zuges ein und so verlöschte Schritt um Schritt die Allee aus Flammen und verwandelte sich in einen Fluß aus Feuer und von den Wänden aus schwarzem Stein wiederhalten die Trommeln.
Hinein in das Flammenmeer
Den Schritten der anderen hinterher, stampft Bobens, getragen von der Masse dem Sog folgend, mit einer Fackel hoch erhoben über seinen Kopf. Er weint. Als wäre das Feuer das glitzern der Tränen aller Menschen für jene die gefallen waren. Tränen für die Gefallen, kostbare Tränen, denn Schmerz war die einzige Währung die Hostinos anerkannte. In Chrestonim gibt es keine Sterne doch hatte Bobens für einen Moment eine Ahnung davon. Noch nie bot sich ihm solch ein Anblick. Flammen. So sah es aus wenn Vorovis trauerte. Durch den verschwommenen Blick seiner eigenen Trauer war es ihm als würde ganz Vorovis brennen. Aber dies war kein Feuer das ein Mensch je hätte legen können. Er folgte den anderen hinein in das Flammenmeer, er wusste nicht wohin... Vielleicht bis zum Ende der Welt.
Die Nacht der Toten
Inmitten des Zuges schritt auch Hel, hoch aufgerichtet, das bleiche Gesicht über dem schwarzen Umhang ausdruckslos und scheinbar ohne Regung. Doch für ein paar Herzschläge lang glitzerte es im Licht der Fackeln auf seinen Wangen auf, so als flössen einige Tränen aus seinen Augenwinkeln und es schien als sähe er durch die schweigenden Gestalten vor ihm und den Glanz der Flammen hindurch, in weite Ferne. Selbst das Dröhnen der Trommeln verschwamm ihm zu dumpfen Lauten am Rande seiner Wahrnehmung. Es war ihm, als ob er durch ein Meer der Kälte und der Finsternis schritt und für die Ewigkeit eines Augenblicks schlugen die Wasser dieses Meeres über ihm zusammen. Mit Ayra und Dhaxun trug er ein Stück von sich selbst zu Grabe. Kein Augenblick war ihm nach dem blutigen Gemetzel in der Zitadelle für sich selbst geblieben, kein Atemzug für den Schmerz in ihm, nur kurze Stunden ohmachtsähnlichen Schlafes. Umso mehr wühlten nun die kalten Klauen in seinem Inneren. Er hätte schreien wollen, doch er blieb stumm, setzte Fuß vor Fuß während Erinnerungen in seinem Kopf einen höhnischen Reigen tanzten. Mit Dhaxun trug er den letzten Freund zu Grabe, mit Ayra seine Frau, die er mehr geliebt hatte, als es ihm je bewußt gewesen war. Doch er selbst hatten den Pfad gewählt, der ihm alles genommen hatte, nur Macht war ihm geblieben. Im Munde den Geschmack von Asche, vermochte er sich kaum mehr aufrecht zu halten und für einen kurzen Moment schwankte er, so als verließen ihn die Kräfte. Doch da flackerte sein Wille auf, riß ihn zurück von dem Abgrund an dem er entlang taumelte und in diesem Augenblick fühlte er wieder die schweigende, uralte Macht, die ihn umgab. Sie nahm ihm nichts von den Schultern, sie tröstete nicht und sie stütze nicht. Aber sie war da, sie war im Pochen seines Herzenz, sie war in seinem Blut, selbst in seinem Schmerz war sie, die schwarze Stadt und ihre Seele und er war ein Teil von ihr, untrennbar vereint, bis ans Ende der Tage. Es war nicht Hostinos, den man mit Schmerz bezahlte, es war Vorovis, das diesen Preis forderte. So klärte sich sein Blick, seine Füße faßten wieder Tritt und er kämpfte nicht mehr gegen den Schmerz. Das Salz einer Träne vertrieb den Geschmack der Asche und Hel trug seinen Schmerz wie seinen Umhang, aufrecht.
Die Nacht der Toten
Wie schon zu seinen Lebzeiten wurde Dhaxun auch auf seinem letzten Weg von Uri Baldor begleitet. Der Primus Exteror war an vorderer Stelle der Träger des Leichnahms des grossen Zahars zu sehen.
Mit eiserner Mine marschierte er in dem Tross, die Last seines verstorbenen Meisters auf den Schultern. Im Kampf um die Zitadelle hatte er noch an seiner Seite gekämpft um Vorovis vor dem Verrat des Jamachans zu bewahren.
Er war bereit gewesen sein Leben für seinen Meister zu lassen sich in die Feuerlanzen des Jamachan zu werfen um Dhaxun zu schützen. Doch jetzt war der Mann dem Uri alles in Vorovis zu verdanken hatte Tod, hatte sein Leben für die Freiheit des Reiches gegeben.
Vorovis war frei, endlich frei...
Die Nacht der Toten
Auch die Terminatoren des Reiches waren der Trauerzeremonie zugegen. Dem letzten Marsch der Gefallenen zu ihrem Erbauer Hostinos. Mit leerem Blick marschierten die Terminatoren in den vorderen Reihen. Stumm und schweren Schrittes,
folgten sie dem Weg aus Feuer. Viele Große Männer und Frauen gaben Ihr Leben um die Ehre der Ahnen und Aufrichtigen wiederherzustellen.
Das Ketzertum und der Verrat durch den Jamachan wurde durch eine nacht des Blutes die Schranken gewiesen und daraufhin endgültig ausgelöscht. Die Abscheulichkeiten die dem Reiche Schaden zufügten sind nun in die Arme des Todgeflüsters übergeben worden. Frieden erlangen sie nie, auch nicht nach dem Tode, denn jene die für das Volk starben, werden auch hinter dem Diesseits deren Leiber entzwei spalten und deren Seelen strafen lassen für Ihren Verrat an das Reich.
Und so ergaben die Terminatoren ihre letzte Ehre für den Mann der Nacht und des Volkes - Dhaxun Zahar -
Ein Reich, unsere Ehre, unser Stolz, unser Leben, für den Imperator und Imperium.
Die Nacht der Toten
Wie schon zu seinen Lebzeiten wurde Dhaxun auch auf seinem letzten Weg von Uri Baldor begleitet. Der Primus Exteror war an vorderer Stelle der Träger des Leichnahms des grossen Zahars zu sehen.
Shadur Adib marschiert irgendwo im Zug zu Ehren der Toten mit, der keine Marschordnung zu haben scheint. Er trägt den Wariagkataphrakt des Sadus Inquisitor und dazu den schweren glänzende Umhang, festgehalten durch eine silberne Kette um seinen Hals. Schwarze Lederhandschuhe verbergen seine Hände, sein Gesicht unbeweglich und von eiserner Härte. Als er Uri Baldor bei den Trägern des Leichnahms von Dhaxun entdeckt, neigt er leicht sein Haupt, ob nun vor ihm oder vor dem Helden des Reiches, bleibt dabei im Dunkeln. Schnell wird Shadur wieder von den Menschenmassen verschluckt und Uri kann ihn nicht mehr entdecken.
Jedes Ende bringt einen Anfang
Als Shadur Adib den Führer der Exterminatoren unter den Trauernden entdeckt, tritt er auf ihn zu und legt seinen Arm doch recht kumpelhaft um ihn. "Diese Nacht hat schweres Leid über unser Volk gebracht, mein Freund..." spricht er mit leisem Tonfall und richtet von Blick nach vorne. "Doch wer weiß, wofür es gut ist. Jeder Weg erfordert Opfer, jeder neuer Anfang erfordert erstmal ein Ende. Die frage, die wir uns stellen sollten, ist daher folgende: ist das hier, was wie gerade erleben ein neuer Anfang? Oder ist es doch nur ein sehr langes Ende?" Der Sadus Inquisitor blick zu Razaak. "Ihr kennt die Bedeutung meiner Worte, ihr kennt sie. Doch schweigt, sagt nichts, sprecht es nicht aus. Lasst uns einfach weitergehen."
Jedes Ende bringt einen Anfang
Als der Sadus seinen Arm um Razaak legte, blickte der Kommandant der Exterminatoren ihn zunächst scharf an. Doch als der Sadus zu sprechen beginnt nickt er, der noch unbekannte Mann. Er hüllt sich, sowie seine Emotionen, in ein Schleier des Schweigens und folgt dem Weg den Ihm der Erbauer ebnet.
Bis das der Tod euch scheidet ... und darüber hinaus!
Ein kleines Mädchen stolpert inmitten der Trauernden. Doch schnell fangen die Hände einer jungen Frau das Kind auf und nehmen es auf den Arm. Dankbar schliest Shana ihre Arme um ihre Adoptivschwester und schaut ängstlich in die Massen der Menschen. Neben ihnen geht eine weitere Frau. Bleich wie die Toten selbst. Ihr Blick weicht nicht vom Katafalk Dhaxun Zahars. Auch sie trägt ein Kind. Einen Jungen der noch nicht versteht was hier vor sich geht. Einen Jungen der nicht versteht das er seinen Vater nie lebend zu Gesicht bekommen wird. Chara Laily Zahar hält ihren Sohn fest, so als wäre er das Einzigste was ihr noch einen Halt geben kann. Doch an ihren Rock klammern sich auch noch die Hände von Kaya und Taya, Zwillingsmädchen, die von ihrer Kinderfrau nicht aus den Augen gelassen werden. Eine Hand hat die Kinderfrau auf den Rücken Charas gelegt, sie scheint sich mehr um diese zu Sorgen, als um die Kinder. Auch wenn diese sehr verwirrt und verunsichert wirken. Doch noch ist es den Kindern nicht bewusst, was es bedeutet jemanden für immer zu verlieren.
Chara zieht eine Kapuze aus dunkler grauer Spitze, tiefer ins Gesicht. Panik steigt in ihr auf. Sie kehrt immer wieder zurück, seit Chara vom Tod Dhaxuns erfahren hat. Sie kommt nicht dagegen an. Wie soll es weitergehen ohne ihn? Dhaxun war alles für sie. Ohne ihn fühlt sie sich leer. Aus Liebe zu ihm, hat sie alles hinter sich gelassen. Ihre Freunde, ihre Familie, ihre Heimat. Ihre Liebe war größer als all dies. Es war nicht immer einfach die Frau an seiner Seite zu sein, gewiss nicht. Aber sie hat alles ertragen, dafür das sie bei ihm sein konnte. Sie liebte den Dhaxun, den so wohl kaum jemand anderes kennenlernen konnte. Den fürsorglichen Ehemann und Vater. Für sie war er kein Held weil er sich einer Schlacht stellte, für sie war er ein Held weil er mit seinen Kindern spielte und ihr dabei liebevolle Blicke zu warf. Nur mit seinem Sohn wird er niemals spielen. Ein Sohn... sein größter Wunsch. Und er durfte ihn nicht einmal sehen. Dieser Gedanke bringt Chara zum Zittern und sie zieht das Kind näher an sich.
Dhaxun ist nicht mehr hier. Er wird sie nie wieder in die Arme schliesen und sie nie wieder küssen. Jeder Schritt, jeder weitere Atmezug ist eine Qual. Chara bleibt stehen und schwankt. Sie sehnt sich danach ihm zu folgen, egal wohin!
Doch das darf sie nicht. Nur für einen Moment, lässt sie ihren Blick über ihre Kinder streifen und schliest die Augen. Weiter ... einen Fuß vor den anderen, während ihr Herz stirbt.