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"Yedea schafft sich ab"

Marktgeplauder @, Monday, 20. September 2010, 12:29

Zwei ältere Herren sitzen auf einer Bank nahe des Marktes, die ehrwürdigen Gesichter erstarrt und faltenreich dem bunten Treiben auf der Marktmitte zugewandt. Ihre Unterarme sind mit Gebetsbändern umwickelt, und der Geruch von Tee steigt aus den beiden hölzernen Bechern hervor, die sie in ihren Händen halten. Nur sehr aufmerksamen Nasen entgeht die zarte Note Rum nicht, die trickreich, beinahe verdeckt von Sahne und Choney, hineingemogelt wurde. Dies führt ohne weiteres dazu, dass die edlen Profile der Herren schon leicht gerötet sind. Mit dem Alkoholgenuss weiten sich die Grenzen des streng normierten Denkens, und, wie jeder weiss, lockert sich so auch die Zunge. Kühnen Gedanken folgen kühne Worte, und so kommt es, dass sich hier ein philosophisch bemerkenswertes Gespräch entspannt, welches sich vielleicht irgendwann in einen Millionenbestseller umwandeln könnte, wenn nur die Analphabetenrate nicht so hoch wäre. Wenn nur, wenn nur...

"... Neukultisten, pah! Sie haben natürlich auch ein Gutes: Kaum siehst du jemanden mit irgendeinem heidnischen Klimbim oder Sragonauswüchsen, dann weisst du, dass du den Lohn ins Bodenlose drücken kannst. Aber mal ehrlich: Ist doch völlig ekelig, wie gedankenlos die sich vermehren, völlig gleichgültig scheint denen zu sein, dass ihr Nachwuchs sich unnatürlich verunstaltet..."

"...mal ganz abgesehen von den mentalen Folgen, man will gar nicht wissen, wo das hinführt!", fällt der andere Herr ein, und nimmt einen großzügigen Schluck Tee. "Ich hoffe nur, die Jugendlichen nehmen sich daran kein Beispiel, man weiss doch, wie leicht zu beeinflussen die sind. Letztens wieder so einen Neukultisten gesehen, dessen Frau sich in einer Bäckerei die Hände wund arbeitet - und er liegt in der Sonne, lässt sich schön die faule Haut brutzeln. Soetwas würde einem Yedeiten doch nicht einfallen."

Der andere nickt bestätigend. "Nie und nimmer! Aber meine Lenya fing letztens auch schon an... sie könne ja vielleicht eine Lehre beginnen, das würden auch viele Yedeitinnen heute machen. Hab mich gefragt, wo sie die Flausen her hat - da habe ich sie letztens dabei erwischt, wie sie mit so ner jungen Katze um die Blöcke zog. Schlimm, schlimm. Das hätte es unter dem Stadthalter nicht gegeben!"

Ein junger Mann kommt vorbei, einen Karren vor sich herschiebend, in welchem sich säckeweise Mehl stapelt. Mit höflicher Geste grüßt er die beiden Philosophen, die wieder in reflektierende Stille versunken waren, still das Gewühl des Marktes in sich aufsaugend.

"Naja, es gibt auch Ausnahmen.", brummt schliesslich der eine leise.
"Ja,...", entgegnet der andere. "...ein guter Junge, dieser Faro. Schade um ihn."

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