Keine Wariags in Esticha. (Vorovis Enklave)
Der Wariag-König war fort. Cesbien war hier. Und Hostinos hatte sich abgewandt. Er akzeptiere diese Unabänderlichkeit gottgegebener Prüfung mit schicksalsergebener Billigung. Wie jeden Morgen würden sie in Richtung der heiligen Stadt beten und den Boden verfluchen auf dem sie alle standen. Und des Nachts... Cesbien lächelte. Erwarten diese Tiermenschen wirklich Dankbarkeit?
Hier auf der kleinen Anhöhe hatte er eine gute Aussicht über das Territorium welches ihnen die Tiermenschen zugewiesen hatten. Sein Gehstock stocherte in der Erde. „Weich. Keinerlei Substanz.“ Sprach er zu denjenigen die sich um ihn versammelten, wie jede Nacht wenn sie sich hier einfanden um seinen Predigten und Geschichten zu lauschen. Er hatte diese Anhöhe in Besitz genommen. Sie gehörte ihm. Sie gehört mir. Darüber bestand kein Zweifel.
Viel schlimmer jedoch als dieses Gefängnis auf unstetem Fundament der Tiermenschen war der Gestank ihrer Herren, der Gestank der Chiras. Jeden Morgen kroch er aus ihren unseeligen Bruthöhlen und verpestete die Luft, raubte ihnen den Atem und schnürte ihnen den Hals zu, setzte sich fest an Gewand und Wohnstätte wie eine Krankheit. Der Gestank von Tier Fäkalien und Jahrtausende langer Inzucht, pervertiertem tierischem Leben und morbider seelenloser Existenz. Verächtlich spuckte er aus, spuckte auf den Boden auf dem er und sie gemeinsam standen. Und sie taten es ihm gleich - so wie jede Nacht.
„Dereinst als die Menschen über die Röhre herrschten war es die Dämonenhure Mra-Aggar die aus dem niederen Tierreich Chira und Sragon formte. Wertloses Leben, Unrein, ohne Seele und eigenem Bewusstsein. Verdammt dazu sich vom Aas ihres gleichen zu ernähren welches sie in Erdlöchern verspeisten wie ihre Vorfahren die Ratten und Schlangen. Denn Mra-Aggar hatte keine Macht über das Leben, noch war ihr die Kraft gegeben wahres Leben zu erschaffen. Doch war sie in der Lage Hostinos vollkommene Schöpfung zu verstümmeln und zu beflecken - ein zu Fleisch gewordenes willenloses Abbild ihrer eigenen Abscheulichkeit zu gebären, getrieben von blinder Gier und Eifersucht auf Hostinos Kinder. Doch als ER ihren Verrat bemerkte rief Hostinos das schlafende Schwert des Urfeuers. Und Phalos erwachte auf sein Geheiß und fuhr herab, strecke die Hure nieder vor den Toren Mal-Barbaraks der Röhrenfeste! Niemals wieder konnte die Hure seiner Schöpfung spotten! Ihrer Puppenspielerin beraubt, flohen Chira und Sragon voller Furcht in die Wälder und die tiefsten Höhlen der Berge in die Dunkelheit.
Und doch, meine Brüder und Schwestern, waren es wir Menschen welche den größten Frevel wider Hostinos begingen. In unserer Gutmütigkeit erbarmten wir uns der Tiere und brachten sie zurück ans Licht. Gaben ihnen Nahrung und Wohnstätte. Lehrten Chira und Sragon das aufrechte Gehen, vermittelten ihnen das Wissen der Menschen und gaben ihnen eine Zunge. Formten mit ihnen ihre ersten menschlichen Wörter als wären sie unsere Kinder gewesen. Wie unwissend wir waren ihnen ein solches Werkzeug zu schenken, zu Naiv zu bemerken wie ihre Zungen die Ohren der Röhren bereits vergifteten. Eine Sünde nicht wieder gut zu machen, und wir Büßen für sie an jedem Sonnenaufgang. Doch der Tag wird kommen meine Brüder und Schwestern an dem das Feuer wieder über die Röhre herrschen wird.“
Sie hörten ihm zu, und es wurden mehr. Sie kamen um die Geschichten ihrer fernen Heimat zu hören. Bauern und Soldaten, Stadtbewohner und Handwerker. Fast schien es so als hätten sie die Dunkelheit vergessen aber sie haftete ihnen an wie ihre eigenen Schatten. Sie alle waren hier, verborgen, versteckt, getarnt im Strom der Flüchtlinge. Cesbien erkannte sie, auch wenn sie ihre Tätowierungen und Brandzeichen verbragen, ihre Augen verrieten sie. Chesaner, Castigare, Shadar, Hexen der Askenlavis. Diener der alten Ordnung, dezimiert und verstreut, wieder vereint in ihrer Diaspora. Schon begannen die ersten Bewohner der Nachtstadt ihre Unterkünfte unter Tags nicht zu verlassen. Nicht weil sie das hereinfallende Licht Estichas blendete, nein. Weil sie sich erinnern. Weil es immer so gewesen war. Er blickte über seine Schulter, die alten trüben Augen sahen nichts als Finsternis, doch irgendwo hinter der Schwärze der Nacht lag Vorovis. Keine Wariags in Esticha. Aber der Plan Hostinos hatte sich ihm letzendlich offenbart. Nach all den Jahrhunderten waren sie endlich hier. Noch nie waren sie dem Feind so nahe. Es wird bald beginnen. Cesbien lächelte.
Gestern Nacht hatte er eine Katze gefangen. Es war ihm über den Weg gelaufen und er hatte es gepackt. Heute Nacht würde Cesbien die Katze töten, ihr mit den Füßen die Kehle zerdrücken und ihr beim qualvollen Todeskampf zusehen. Er würde sich vorstellen es wäre ein Chirawelpe. Obwohl seine besten Tage längst vorüber waren verspürte Cesbien bei diesem Gedanken ein angenehmes ziehen in seinen Lenden.
Er akzeptierte diese Unabänderlichkeit gottgegebener Prüfung mit schicksalergebener Billung.