Ein Sommernachtstraum (Seitengassen)
Zur Stunde der Mondgöttin teilen tiefe Schattenschluchten die Gassen der Stadt und der stinkenden Nebel aus der Kanalisation wabert wie ein toxisches Gespinst über den Boden, um sich lechzend um die Beine derer zu winden, die sich dem Schlaf Vesanas noch zu entziehen gedenken.
Eine kühle Brise fährt durch den weißen Schleier, der eine Gestalt in mitten der Gosse verhüllt, lässt eine weibliche Statur erahnen und doch wirkt es geisterhaft, so wie der feine, in Fetzen endende Stoff sich bauscht.
Anmutig zeichnet sich die Kontur der Vermummten in der Dunkelheit ab, ein gebündeltes Spiel aus Wellen und Licht, doch trügt die Zartheit, liegt ihre Hand doch um den Hals eines Knaben und drückt ihn gegen die schmutzige Hauswand. Der blonde Jüngling mit dem hübschen Antlitz röchelt und lässt seine geweiteten Augen furchtsam über die Verschleierte fahren. Mit zitternden Fingern klaubt er ein Beutelchen aus der Weste hervor, reicht es der weißen Frau und schnappt dann keuchend nach Luft, als die Hand um seinen Hals sich lockert. Die Finger der Vermummten sind mit weißen Bandagen umwickelt, wiegen den Inhalt des Säckchens kurz schätzend ab, dann legen sie sich beinahe zärtlich an die Wange des Gossenbengels. Dieser erzittert panisch, krallt die Fingernägel hinter sich in die Wand, will er doch zurückweichen und kann es nicht. Die Geisterhafte lächelt nur, holt dann jäh aus und schlägt im nächsten Moment mit der flachen Hand zu. Ein unterdrückter Schmerzenslaut erklingt und der Junge kippt zu Seite kauert sich auf dem Boden zusammen und hat offenbar panische Angst davor auch nur den kleinsten Mucks von sich zu geben. Die Verschleierte kippt sich die dürftige Menge klimpernder Münzen aus dem Säckchen in die Handfläche und lässt sie unter der Schleierrobe verschwinden, das Beutelchen wirft sie dann achtlos auf den Niedergestreckten. "Das kannst du besser, nicht wahr?" säuselt sie leise und erneut zeichnet sich unter dem Schleier ein Lächeln ab, dann wendet die Geisterfrau sich ab und schreitet durch den Bodennebel ins Zwiellicht davon.