Estichà Unterer Markt

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[FAT] An anderer Stelle (Untermarkt)

Voran @, Friday, 04. May 2012, 11:09

Immer wieder glitten die bernsteinfarbenen Augen mit den geschlitzten Pupillen über das, was vor den Stadttoren im Süden geschieht. Nichts weniger als eine Zeitenwende. Von der Position auf den Mauern der Oberstadt aus offenbarte sich das ganze Panorama dieses Kampfes, der ganz Mradoshan verändern sollte. Auf den Mauern der Unterstadt glänzten die an gewaltigen Insekten erinnerenden Körper der Geschütze, die die Akkra dort installiert hatten. Immer wieder wurden die metallischen Körper herumgeschwenkt, richteten sich in einem bizarren Ballett, gelenkt von Berechnungen kühl kalkulierender Sragonmathematikerinnen auf Punkte im heranrückenden Heer der Sragon. Feuerwände rasten über das Feld, fegten über die Verteidiger in Richtung der Stadtmauer. Noch verloren sie sich dort, verpufften an ihr, doch die Gefahr durch sie wurde immer größer. Schwärme von Pfeilen fielen über Freund und Feind her. Freund und Feind - von hier oben kaum auszumachen, lediglich die leuchtend weißen Umhänge der Hostinoslegionäre und das Rot der Delvanritter war als Gruppe auszumachen, schon das Schwarz der Endrakhapriester verlor sich im blutigen Gemetzel. Voran Rashan Akkrivial, Delvanritter des 5. Grades, war dort, wo er sein musste, aber nicht dort, wo er sein wollte. In der Schlacht. Entweder an der Seite seiner Gefährten und Tempelbrüder weit im Herzen des feindlichen Heeres oder an der Seite seiner Frau Khitra, die gemeinsam mit den anderen Endrakhis in der Frontlinie mit Gesängen und trancehaftem Schwertkampf die Front stabil hielt. So leidenschaftlich und von Endrakha beseelt sie war, so ruhig und gefasst war Voran. Endrakha und Delvan. Leidenschaft und Konzentration. Erneut versuchte Voran von seiner Position auf der Mauer die Endrakhapriesterinnen auszumachen. Furchtlos, mitreißend, mit Schreien blutige Kreise ziehend, waffenstarrend in die Reihen der Gegner fahrend, Endrakha auf den Lippen - das war ihre Bestimmung. Die Delvanritter hingegen schwiegen. Keine Trance des Todes wie bei den Endrakhis. Delvanritter schreiten über das Schlachtfeld, töten, vernichten. Kalt und voller Konzentration, ohne Fehler, ohne Zögern. Gebt den Delvanrittern ein Ziel und es stirbt. Doch er war zum Warten verdammt. Er sah neben sich. Er kannte Katal seit vielen Jahren. Auch er war ein Ritter des 5. Grades und er wusste, dass seine Gedanken dieselben waren. Warten. Es musste nicht gesprochen werden. Obwohl beide den Helm nicht aufgesetzt hatten, hörten sie die Worte ihrer Brüder aus ihnen heraufschallen. Es waren kurze, knappe Befehle. Statusmeldungen. Keine Schreie, sondern volle Konzentration, gespeist vom inneren Feuer. Viele der Stimmen waren ihm unbekannt, was nicht weiter verwunderlich war, waren doch unzählige Ritter aus der Allianz eingetroffen. Doch überall herrschte dieselbe Disziplin, dieselbe Perfektion, trainierte Vollendung, die sich dort unten im Schlachtfeld entfaltete. Und über allem Monor. Monors Befehl an ihn, Katal und andere ausgewählte Ritter des Estichaner Tempels hatten ihn überrascht, aber er hatte den Befehl nicht in Frage gestellt. Monor tat nichts ohne Grund. Jeder einzelne der Ritter Estichàs verdankte dem Exarchen der Delvankirche und Ritter des 7. Grades seine Existenz. Niemand zweifelte an den Entscheidungen und Handlungen des Chirà, der bereits seit Jahrhunderten gemeinsam mit anderen Exarchen den Kult des Feuergottes führte. Auch für Monor war eine Schlacht solch eines Ausmaßes, unter diesen Bedingungen, neu. Doch jeder spürte, dass er einen tieferen Einblick in die Geschehnisse hatte als vermutlich jeder andere. Monors Bund zu Delvan, die Erfahrung seines mehrere Jahrhunderte andauernden Lebens, das innige Band zu jedem seiner Ritter und sein Charakter ließen jeden Zweifel an ihm lächerlich erscheinen. Und so sah Voran, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe anderer Delvanritter des Estichaner Tempels der Schlacht von der Oberstadt aus zu. Nicht ohne Auftrag. Aber doch dazu verdammt, zu warten.

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[FAT] An anderer Stelle

Jhiatara @, Saturday, 19. May 2012, 00:51 @ Voran

Nervös zu sein war nicht Jhiataras Sache. Doch sie war es an diesem Tag wie nie zuvor sonst in ihrem Leben. Als Chrania musste sie perfekte Selbstbeherrschung in Haltung, Mimik und Gestik zeigen, kein Zucken der Schnurrhaare, eine unbedachte Drehung eines Ohrs oder das Schlagen des Schweifs durfte die Gedanken einer Chrania in einer diplomatischen Verhandlung oder bei einem Empfang verraten. Doch nun ging die Regentin Eluriens nervös mit zitternden Händen zwischen ihrem Schreibtisch und dem Balkon hin und her, der in den blühenden Innenhof ihrer Villa hineinragte. Unheiliger Wind schüttelt die Palmen und blühenden Sträucher durch. Wenn sie die Schlacht wenigstens von irgendwo aus hätte beobachten können! Etwas tun! In diesem Moment wäre sie sogar lieber mit der Asnivala auf der Mauer oder mitten im Kampfgeschehen gestanden als hier in der Villa warten zu müssen. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie war so wenig da gewesen für die Elurier. Jene Elurier, die nun draußen um das Schicksal ihrer Stadt kämpften. Sie war wochenlang nicht in der Stadt gewesen, einmal sogar über mehrere Monate hinweg. Sollte sie mehr darüber weinen, dass sie so wenig in der Stadt weilte oder darüber, dass es niemandem aufgefallen war. Das alles hätte so anders werden sollen. Weinen… einer Chrania unwürdig. Das Klopfen an der Türe ihres Büros war wie eine Erlösung. „Regentin, Jorrael na Shao ist hier“, sprach der Diener und trat mit einer Verbeugung zur Seite, um der Hohepriesterin der Mehdora den Weg freizugeben. Das grün schillernde Gewand der hochgewachsenen, kahlhäuptigen Frau verursachte nur ein leises Rascheln, als sie nach einem knappen grüßenden Nicken die Hand einladend hob. „Ich habe mit ihnen gesprochen. Es beginnt in wenigen Augenblicken.“ Die Regentin nickte stumm, löste sich von ihrer Position hinter ihrem Schreibtisch, stockte kurz und sah sich noch einmal in dem Raum um. Vieles hatte sie hier erlebt, viele Estichaner empfangen und doch war sie viel zu selten hier gewesen, so kam es ihr nun vor. Sie nickte ihren Leibwachen zu, jenen chiranischen Kolossen, die sie über all die Jahre nie verraten haben und nie von ihrer Seite gewichen sind. Sie hatte für sie alle Briefe vorbereitet und eine große Summe Dublonen für jeden. Schweigend gingen die beiden Frauen nebeneinander die breite Freitreppe im Anwesen der Chrania hinab. Auf der einen Seite die chiranische Regentin, nun gefasster als noch wenige Augenblicke zuvor, gehüllt in ein einfaches, für sie schlichtes schwares Kleid, das sich in seiner Farbe nur durch die silbernen Ornamente von ihrem pechschwarzen Fell abhebt. Auf der anderen Seite die dunkelhäutige Hohepriesterin der Mehdora, Führerin des Hohepriesterrates in ihrem farbenfrohen, erzgrün und erzviolett schillernden Ornat.

Vor der Portal wartete ein Dutzend Delvanritter auf sie. Der Anführer des Trupps war ein dunkelgraufelliger chiranischer Delvanritter des 5. Grades, der ihr grüßend zunickte. „Regentin.“ Jhiatara kannte ihn vom Sehen her, war er nicht mit einer Endrakhapriesterin verheiratet? Voran… glaubte sie war sein Name. Auf der Türschwelle blieb sie noch einmal stehen und blickte zurück in die Eingangshalle. „Seid ihr bereit?“ fragte Jorrael die Regentin in einem ruhigen Ton. Langsam löste Jhiatara ihren Blick von ihrem Anwesen und sah nach vorne. „Kann man dafür bereit sein?“ fragte sie mit brüchiger Stimme zurück. Jorrael konnte darauf keine Antwort geben. Die Delvanritter umschlossen die beiden Frauen auf dem Weg durch die Oberstadt. Aus der Ferne waren die Signale der kämpfenden Armeen zu vernehmen, ein fernes Brausen, das Donnern der neukultischen Geschütze auf den Mauern. Die Gruppe ging zu Fuß und Jhiatara war dankbar dafür. So konnte sie die Gassen der Oberstadt noch einmal ansehen. Dachte sie an die letzten Monate zurück war es für Jhiatara die Erlösung. Oder der Beginn der Ewigkeit.

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[FAT] Das Erwachen

Der Tafelberg @, Wednesday, 23. May 2012, 09:44 @ Jhiatara

Über Jahrtausende thronte der Tafelberg Estichàs über der Küste des Metchàs. Ein grauer Klotz, eingebettet in die ansteigende Küstenlandschaft, 200 Vat über dem Umland mit steilen Mauern aufragend, einem unförmigen Quader, wie hineingeworfen in die Landschaft. An seinem Fuße siedelten vor Jahrtausenden bereits die Sragon, auf seinem Rücken entstanden chiranische Klöster, in seinen Schutz flüchteten sich Vertriebene aus Vorovis. Rund um ihn wurde der Untergrund durchbohrt von Kanalisation, Häuser wuchsen Schicht um Schicht in die Höhe, zerfielen wieder und wurden neu aufgebaut, drückten ein Labyrinth von Gängen und Röhren immer weiter in die Dunkelheit hinein. Tempel breiteten sich auf seinem Rücken aus, zapften Kraft von ihm ab, Mauern wurden um ihn herum und auf ihm gezogen, Luftschiffe umschwirrten ihn wie Insekten. Und nun blickt er genauso stumm und reglos wie seit Jahrtausenden auch auf die Schicksalsschlacht, die um ihn tobt. Bis zu dieser Stunde. Von den Kämpfenden auf dem Schlachtfeld ist es nicht zu bemerken. Auch auf der Mauer kann man es nicht spüren, ja nicht einmal in der Unterstadt verspürt man es. Doch die Bewohner der Oberstadt, die nicht in der Schlacht sind oder sonstwie bei der Verteidigung der Stadt helfen, spüren es: Flüssigkeiten in Bechern und Krügen bilden feine Ringe auf ihrer Oberfläche, Gläser klirren aneinander. Irritiert sehen sich die Menschen, Sragon, Chirà und Unuim an, blicken zur Decke und zum Boden, an die Wände ihrer Behausungen. Nichts wankt oder bebt, es ist nur ein feines Zittern, gleichmäßig, ohne sich zu steigern. Von einem Moment auf den anderen war es da. Die kleine Prozession, die durch die Oberstadt zieht, hat Aufsehen erregt. Die Regentin in Begleitung mit der obersten Priesterin Estichàs, begleitet von einem Trupp Delvanritter. Einige wenige Neugierige, deren Neugier die Furcht vor der vor der Türe tobenden Schlacht überwiegt, haben sich der Prozession angeschlossen. Jorrael legt ihre Hand auf den Arm Regentin Jhiataras, um sie zum innehalten zu bewegen. Man kann es spüren, ein leichtes Vibrieren des Bodens, der den gesamten Felsen der Oberstadt erfasst hat. „Es geht los“, sagt Jorrael knapp mit einem Blick zu Jhiatara, dann zu Voran, dem Anführer des Delvantrupps, der sie begleitet. Beide Chirà nicken. Der Estichaner Felsen ist erwacht.

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[FAT] Fremde im Herzen der Stadt

Fremde @, Sunday, 27. May 2012, 10:50 @ Der Tafelberg

„Es geht los… jaja, gleich geht es los!“ Leise vor sich hinmurmelnd huschte die kleine vermummte Gestalt durch die verlassenen Gassen der Stadt. In der Tat war dieser Teil des verwirrenden Labyrinths aus Gassen, Treppen und Brücken, die das Wegnetz der Unterstadt bilden, praktisch leer; die meisten Bewohner der Stadt hatten sich entweder angstvoll in ihre Häuser zurückgezogen oder beteiligten sich in irgend einer Form an der Verteidigung, sei es an Barrikaden im Hafen oder in der Nähe der Mauern und Tore. So konnte sich die kleine gebückte Gestalt unbemerkt in den tiefen Schatten der Unterstadt bewegen. Hektisch schlug sie dabei Haken in einem merkwürdigen Laufschritt. Ein Beobachter könnte meinen, die Gestalt falle jeden Moment vornüber, so weit nach vorne gebeugt lief sie, fast so, als sei sie kurz davor, gleich auf alle Viere zu gehen. Unübersehbar zog sie einen Schweif hinter sich her, es musste sich um einen Chirà handeln, wenn auch einen ungewöhnlich kleinen und mit nacktem Schweif. Vielleicht eine Krankheit? Die Kapuze war tief ins offenbar längliche Gesicht gezogen, nur einige Schnurrhaare schauten hervor. Immer wieder hielt die gebückte Gestalt inne und sah, wenn die Häuserschluchten einen Sichtkorridor öffneten, nach oben zur hoch aufragenden Steilwand des Estichaner Tafelbergs. „Nicht mehr lange… lange“, wiederholte die Gestalt mit einer für Chirà ebenso äußerst untypischen hohen Stimme, dann wandte sie ihren Blick von der Bergflanke ab und tauchte erneut in den Schatten der Häuserschluchten, eilte einige Treppen hinauf um in eine Querstraße einzubiegen. Unvermittelt hielt der Gebeugte an und reckte die unter der Kutte verborgene Nase wie zum Schnüffeln empor. „Ich bin hier“, ertönte eine kraftvolle Stimme direkt neben der kleinen buckligen Gestalt, die erschrocken einen halben Vat zurücksprang und dabei einen Moment zwei feingliedrige, befellte Hände entblösste, die sie sich an die Brust presste. „Das Viertel ist ruhig, niemand ist auf den Straßen“, berichtete der Delvanritter der kleinen Gestalt. Der Chirà überragte den verhüllten Buckligen um gut einen Vat. „Gut, gut. Alle müssen von den Straßen in der Nähe des Berges. Es geht gleich los, gleich los!“ nickte der Kleine mehrmals eifrig. „Ich spüre es“, nickte der Ritter des Feuergottes. Das Vibrieren des Bodens war so nah am Felsen von jedem zu spüren. Allerorten warnten Ritter des Delvan in den Straßen der Unterstadt und Sashtinvas, in die Häuser zu gehen, weg von den Plätzen und breiten Straßen.

Währenddessen traf die Gruppe um Regentin Jhiatara, Hohepriesterin Jorrael und die Abteilung Delvanritter unter der Führung Vorans auf dem Platz im Herzen der Oberstadt ein. Ein einfaches Standbild des Stadtgründers Deradan Anvor markierte den Mittelpunkt der fast quadratischen Fläche des Oberstadtplateaus. „Wir müssen uns am Rand halten“, sagte Jorrael na Shao, die sich suchend auf dem Platz umblickte und deren Blick dann an der hoch aufragenden Gestalt von Katal hängenblieb, der im leuchtend roten Ornat der Delvanis den Platz aus einer Seitengasse betrat, die von der großen Bibliothek kam. Hinter ihm drängte sich eine eng beeinander laufende Gruppe von fünf verhüllten, gebückt laufenden Gestalten. Vor der Front eines arkadengeschmücktes Bürgerhauses, das schon seit einigen Wochen leerstand, vereinigten sich die beiden Gruppen. Katal erwies mit einer knappen Neigung des Kopfes der Mehdorahohepriesterin und der Regentin die Ehre. Jhiatara musterte aufmerksam die kleinen Gestalten, die nun hinter der massig-muskulösen Gestalt des chiranischen Delvanritters hervortraten und sich fast wie Schulkinder in Reihe vor den beiden mächtigen Frauen aufstellten. Sie alle trugen dieselben Kutten, sie alle waren leicht vornübergebeugt, obwohl sie sich nun etwas streckten. „Sichàra“, nickte Jorrael na Shao den Fünf zu und ein höfliches Lächeln erschien auf ihren ansonsten angespannt wirkenden, dunkelhäutigen Zügen. „Das ist Jhiatara Jascara Chranijiar, Regentin Eluriens.“ Die Gestalten, die nur gegenüber den Chirà klein wirkten, nun aber, da sie sich streckten die menschliche Mehdorahohepriesterin sogar ein Stück überragten, verbeugten sich unbeholfen. Jhiatara entgegnete die Geste mit einem würdevollen Nicken. „Wir haben den Prozess gestartet“, eröffnete einer der Gebeugten. „Wir wissen nicht genau wann, aber es kann jeden Augenblick geschehen. Seid Ihr bereit?“ wandte ein anderer Verhüllter mit einer weiblich klingenden Stimme sich ebenso Jhiatara zu. Die Regentin Estichàs zog die Luft ein. „Nein. Dafür kann niemand bereit sein. Aber ich tue es.“

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[FAT] Heiliges Feuer (Teil 1)

Kleine Gruppe @, Tuesday, 29. May 2012, 18:38 @ Fremde

Gut eine halbe Jhana lang stand die merkwürdige Gruppe am Rande des Platzes. Die in schillernd bunte Gewänder gekleidete Mehdora-Hohepriesterin Jorrael na Shao, neben ihr die ungewöhnlich schlicht und einfach gewandete Regentin Jhiatara, dann die Gruppe der verhüllten gebeugten Gestalten. Umgeben wurde die ganze Gruppe schließlich von einer Gruppe Delvanritter des Estichaner Tempels, angeführt von Meister Voran. Die Zugänge zum Platz wurden von einigen der Delvanis abgeriegelt, um Schaulustige abzuhalten. Doch abgesehen von dem ständigen leichten Vibrieren und kaum hörbaren Summen in der Luft und dem fernen Donnern und Rauschen der Schlacht in der Ferne lag der Platz in völliger Ruhe.

Jhiatara sah immer wieder zu den gebeugt laufenden Gestalten. Immer wieder richteten sich einzelne von ihnen etwas auf, wobei sie dann größer als Menschen waren. Jhiatara musste unwillkürlich an Ratten denken. Es drängte sich förmlich auf. Der lange unbehaarte Schwanz, den sie zwar unter der Kutte zu verstecken versuchten, was ihnen aber nicht immer gelang. Der unter dem Gewand kaum zu verbergende plumpe Unterleib, die vornübergebeugte Haltung, die ebenso an Ratten erinnernden Pfoten und die immer wieder unter den Kapuzen vorlugenden spitzen Nasen. Dazu diese merkwürdigen Stimmen. Das waren keine Chirà. Aber das wusste Jhiatara bereits, sie war darauf vorbereitet worden, ihnen zu begegnen, auch wenn ihr nicht gesagt wurde, was genau diese Wesen waren und wo genau sie herkamen.

Die Fremden verhielten sich alles andere als ruhig. Nervös liefen sie hin und her, tuschelten miteinander in einer ihr unbekannten Sprache und kramten aus ihren Gewändern immer wieder Apparate hervor. Mit einem mal kam Aufregung in die Gruppe. Immer wieder schauten sie auf ihre Apparate und unterhielten sich in einer schrillen Sprache. Schließlich wandte sich eine der Gestalten um. „Es geht los! Das Orakel erwacht.“

Nur wenige Herzschläge später ging ein spürbarer Ruck durch den Boden, ein Stoß, der den ganzen Felsen oder zumindest das Plateau erschütterte. Nicht stark genug, um Gebäude ernsthaft zu beschädigen, aber Jorrael und Jhiatara mussten beide den Stoß mit einem kleinen Schritt ausgleichen.

„Zurück!“ rief eine der Gestalten, geistesgegenwärtig reagierten die Delvanis sofort und drängten die Gruppe in Richtung einer der Seitengassen. Das Beben des Bodens verstärkte sich, doch diesmal waren die Erschütterungen auf den Platz beschränkt. Jorrael und Jhiatara mussten sich an den Rittern des Feuergottes festhalten, so heftig wurden die Erschütterungen, eine der verhüllten Gestalten stürzte und in den Fassaden der umliegenden Häuser begannen sich bereits tiefe Risse zu bilden, Dachziegel rutschten auf die Gassen herab und zerplatzten auf dem Pflaster.

Wie in einer Explosion riss der Platz auf nahezu seiner kompletten Fläche auf, der Boden wurde emporgerissen, die Statue in der Mitte samt Pflaster und Staub emporgeschleudert. Ein Regen von Trümmern ergoss sich über die Gruppe, Jhiatara, Jorrael und auch die bekutteten Fremden wurden von den Rittern zu Boden gerissen, die sich schützend auf sie warfend. Eine Welle von Staub und Schutt fegte über sie hinweg in die Gassen hinein, Splitter prasselten auf die gerüsteten Rücken der Rotgewandeten nieder, unter denen sich die Fremden, die Regentin und Jorrael zusammengekauert hatten. Ächzend gab die Fassade eines der gegenüberliegenden Bürgerhäuser nach und rutschte hinab auf das aufgerissene Pflaster. Irgendetwas schob sich donnernd aus den Platz, direkt aus dem Untergrund hervor, wie eine Lanze brach es aus dem Boden hervor und schraubte sich scheinbar unaufhörlich in den Himmel, bis es schließlich doch plötzlich zum Halt kam.

Nur langsam legte sich der Staub im Herzen der Oberstadt. Zahlreiche Häuser rund um den Platz waren schwer beschädigt und würden wohl abgebrochen werden müssen - doch niemand wohnte dort mehr dank unentdeckt gebliebener Vorbereitungen. Die ersten Ritter des Estichaner Delvantempels richteten sich auf, ihr rotes Ornat von hellem Staub bedeckt. Hustend kamen auch schließlich wieder die Regentin und Jorrael zum Stehen und auch die gebeugten Gestalten rappelten sich auf. „Es ist da, das ist es!“ rief sogleich einer von ihnen und eilte in Richtung des Objektes, das nun praktisch den ganzen Platz ausfüllte. Ein metallisch glänzender siebenkantiger Zylinder von über 30 Vat Höhe ragte statt des Platzes zwischen den rissigen Bürgerhäusern auf. Von jeder der sieben Kanten des aufrecht stehenden Zylinders ging eine Verbindungsstrebe zu einem umlaufenden metallischen Ring, der allerdings über und über mit Trümmern, Staub und Schutt bedeckt war. „Das ist es!“ riefen die Bekutteten voller Begeisterung oder quiekten in einer schrillen Sprache.

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[FAT] Heiliges Feuer (Teil 2)

Kleine Gruppe @, Tuesday, 29. May 2012, 18:41 @ Kleine Gruppe

Mit einem Mal wendete Voran, Anführer des Trupps Delvanritter auf dem Platz, leicht den behelmten Kopf in eine unbestimmte Richtung so als höre er einer Stimme zu, die nur er hören konnte. Dann ein Nicken Vorans. Befehle werden in den Helm gesprochen und wie von Geisterhand gelenkt schwärmte die kleine Gruppe der rotverhüllten Ritter auf dem Platz aus, ihre Asnicharas ziehend. „Erhabene, Regentin“, wandte sich Voran an die beiden Frauen. „Angreifer sind auf dem Weg hierher. Sie müssen durch die Kanalisation zur Rampe gelangt sein. Einige sind durchgebrochen und bewegen sich auf uns zu.“ Jorrael packte einen der wie vor Freude trunkenen verhüllten Gestalten an der Schulter. „Wie weit seid ihr? Die Zeit drängt!“ Die Gestalt wandte sich um. „Wir werden es jetzt öffnen!“ rief sie.

„Kontakt, Velachà Chanvas!“ ertönte es in Vorans Helm. Endlich, dachte Voran. Kampf. „Sammeln, Eingang Velachà Chanvas!“ befahl er.

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[FAT] Zeitenwende (Teil 1)

Oberstadt @, Thursday, 31. May 2012, 10:04 @ Kleine Gruppe

Die kleine Gruppe Rotgewandeter sammelte sich an der Mündung der Velachà Chanvas auf den Deradan-Platz, auf dem nichts mehr an früher erinnerte. Mit gezogenen Asnichare und grauem Staub auf Rüstung und Umhang warteten sie in lockerer, versetzter Aufstellung auf den Gegner. Der Kampf mit der Asnichara braucht Platz. Ein Teil der Delvanritter des Estichaner Tempels musste bereits Kontakt mit den Angreifern gehabt haben, Katal hatte die Angreifer gemeldet. Schneller als erwartet war es so weit: Voraus tauchten im sich nur noch langsam legenden, feinen Staub gedrungene Gestalten auf, die sich zielstrebig die breite Gasse hinaufbewegten, vom Tor und der Rampe kommend. Wie immer sie dort durchgebrochen waren… Voran erkannte sofort, dass es sich nicht um normale Krieger handelte. Keiner von den muskelbepackten Sragon war kleiner als mindesten zwei Vat zwanzig, viele trugen eine zusätzliche Panzerung und sie bewegten sich unnatürlich schnell, doch auch wie unter Schmerzen. „Geistmagie“, hörte Voran in seinem Helm die Stimme eines menschlichen Delvanritters, der etwas im Hintergrund einen Blick auf ein am Gürtel hängendes Artefakt geworfen hatte. Hier in der Oberstadt musste es für die Besessenen schmerzhaft sein, dachte Voran. Umso besser. Mit großen, fast gesprungenen Schritten eilte die Sragonhorde auf die Ritter zu. Auf der einen Seite wilde Schreie, geschwungene Waffen, weite Sprünge mit kraftvollen Beinen in archaischen Rüstungen, ihnen gegenüber wie Statuen das halbe Dutzend Delvanritter, reglos, die Asnichare gezogen und zur rechten Seite am ausgestreckten Arm gesenkt. Bis zum allerletzten Augenblick, fast schon meint man den Aufprall der heranstürmenden Sragon auf die Feuerritter zu hören, verharren die fünf Chirà und ein Mensch in den roten Rüstungen, dann mit einem mal, als die Fronten der Gruppen aufeinanderprallen, schnellen die Asnichare der vorderen Ritter nach oben, die so schweren chiranischen Körper gleiten in einer Geschwindigkeit, als hätten sie keine Masse, zur Seite an den schwingenden Waffen der Gegner vorbei und schneiden in einer mit Wucht durchgezogenen, gezielten Bewegung mit der Präzision eines Skalpells tief in die Sragonkörper. Wie in einem morbiden Ballett schneiden sich die locker versetzt stehenden Ritter in völliger emotionsloser Kälte durch die wild und wie berauscht heranstürmenden Krieger, mit tödlicher Wucht zweihändig geführt von den chiranischen Hünen graben sich die Asnichare präzise in empfindliche Stellen der Körper oder durchtrennen brutal Körperglieder.

Abseits, bewacht von zwei auf Reserve stehenden Rittern betrachten Jhiatara und Jorrael mit zunehmender Beklemmung das Gemetzel in der Gasse. Sechs, nein acht Rotgewandete standen zwischen ihnen und dem Tod, eine lächerliche Zahl, doch alles was sie momentan hatten. Mit einem Mal jedoch riss ein Geräusch ihre Blicke vom Kampf hin zum siebenkantigen Zylinder, der auf dem Platz in die Höhe ragte, über die teils eingebrochenen Giebel der umliegenden Häuser hinaus. Mit einem scharfen Zischen hatte sich eine Öffnung gebildet, eine breite Nische von gut 4 Vat Höhe. Angst griff kalt nach Jhiataras Herz und ihr Nackenfell begann sich zu sträuben. Jorrael legte ihre Hand besänftigend auf den Arm der schwarzfelligen Chirà. „Kommt, kommt!“ riefen die verhüllten Gestalten, die nun mehr hektisch denn begeistert wirkten, zwei von ihnen erkletterten den breiten, metallenen Ring, der mit Streben mit dem zentralen Siebeneck verbunden war. Trümmer behinderte sie und jeweils zwei schoben mit Leibeskräften die plump wirkenden Hinterteile der beiden Gestalten hinauf auf den Ring, wo sie sich mühsam aufrappelten und mit staksenden Schritten zwischen den Pflastersteinen, Dachziegeln, Resten der Statue Deradans und Unmengen von Steinsplittern in Richtung der Nische bewegten. Auch Jhiatara und Jorrael eilten auf den Ring zu, wurden, bevor sie selbst versuchen konnten, sich hochzuziehen, kurzerhand von den chiranischen Rittern darauf emporgehoben.

Die Wucht der Angreifer drängte die Ritter langsam zurück, die Perfektion begann zu bröckeln. Schritt um Schritt mussten sie auf den Platz zurückweichen, obwohl sie sich mit Druck in die Gasse stemmten. Immer wenn der von einer langen, tiefen, hässlichen Schnittwunde aufgeschlitzte Körper eines Sragon über die Leiche seines Vorgängers sank, mussten die Delvanis einen Schritt zurückweichen, sprang der nächste doch einfach über seine toten Vordermänner, wie Beserker, völlig ohne Angst von besessenem Wahn angestachelt. Bei Vorans Nebenmann hatte sich die Asnichara so tief im Körper eines Sragon verkantet, dass er sie aufgeben musste, blitzschnell griff er zu seinen am hinteren Gürtel befestigten Torrakhe, fasste die Griffe fest und trat ins Mreccara asnan ein. Wie alle hatte auch Voran Wunden hinnehmen müssen.

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[FAT] Zeitenwende (Teil 2)

Oberstadt @, Thursday, 31. May 2012, 10:06 @ Oberstadt

Die Dornen einer Keule hatten an seiner Flanke die Rüstung durchdrungen und sich tief in die dortigen Muskeln gebohrt, doch der Schmerz war ureigenster Teil seines Gottes. Schmerz schürte das innere Feuer, floss als neue Kraft, als intensivste religiöse Erfahrung der Delvanritter in Sehnen und Muskeln. Immer mehr der Ritter büßten ihre langen elegant geschwungenen Klingen ein und wechselten ins Mreccara asnan. Die parallel zum Unterarm verlaufenden Klingen entfalteten nicht dieselbe tödliche Wirkung, aber die behäbigen Sragon kamen mit den blitzschnellen Attacken und den schnellen Reflexen ihrer raubkatzenhaften Gegner im dunkelroten Ornat nicht zurecht, die nun wesentlich dichter an den Körpern der Angreifer agierten.

„Ihr müsst das ausziehen“, sagte einer der Verhüllten zu Jhiatara, die ihn zunächst ungläubig anblickte, nach einem kurzen Blick zu Jorrael na Shao jedoch der Anordnung folgte. Das schlichte schwarze Kleid wich schnell dem samtig-schwarzen Fell der Regentin, lediglich ein schlichter Büstenhalter und eine knappe Hose verhüllte den geschmeidigen, schlanken Leib der Jascara. „Ich werde nicht von Eurer Seite weichen“, nickte Jorrael zu, die die Furcht in der sonst immer so beherrschten Chirà spürte. „Tretet hier hinein und dreht euch um“, wies einer der Verhüllten an, der seine Kapuze so weit nach hinten geschoben hatten, dass Jhiatara endlich die in der Tat an eine Ratte erinnernde, spitz zulaufende Schnauze des gebückt laufenden Wesens sehen konnte. Vorsichtig trat Jhiatara durch die Öffnung. Dahinter lag kein Raum, sondern nicht mehr als ein Alkoven, kaum groß genug um einen ausgewachsenen Chirà aufzunehmen, als Frau hatte sie etwas mehr Platz. Jhiatara zweifelte, dass ein männlicher Chirà sich noch hätte darin ausreichend bewegen können. Die Wände der Nische waren über und über mit Knöpfen und Panelen bedeckt, kleinen Öffnungen unbekannter Funktion und schimmernden Flächen. Als sie sich umdrehte, blickte sie in Jorraels Gesicht, die unmittelbar vor der Nische stand, neben ihr das Rattenwesen. Zwischen ihnen hindurch fiel ihr Blick auf die Delvanritter, die sich mittlerweile fast vollständig auf den Platz zurückgezogen hatten, eben hatte eine Gruppe von drei Sragon einen Ritter zu Fall gebracht. Immer wieder brachen einzelne Sragon durch, wurden jedoch von den zwei unmittelbar am Ring stehenden Delvanis ausgelöscht. Der Rattling trat halb in den Alkoven hinein, seine Pfoten huschten über die seltsamen Vorrichtungen an den Wänden, dann richteten sich seine schwarzen Knopfaugen auf die Regentin. „Es beginnt“, sagte er, dann zog er sich zurück. Jhiatara nickte. Sie versuchte sich in Erinnerung zu rufen, worauf sie vorbereitet worden war, doch auf das, was folgte, kann niemand vorbereitet werden. Der Alkoven erwachte, Lichter flammten auf, ein Surren ertönte, dann, nur Sekunden später, schoss mit einem lauten Zischen aus einer der Öffnungen ein Schlauch, der sich wie ein Geschoss tief in Jhiataras Rücken bohrte. Schmerzerfüllt stieß die Regentin einen Schrei aus, mit dumpfem Schlag bohrte sich ein weiterer Schlauch in den oberen Bauch, im Sekundentakt folgten weitere, an Beinen, Brust, im Rückgrat, Blut begann das schwarze Fell zu verkleben. Das Schreien Jhiataras hatte sich in ein gurgelndes Wimmern verwandelt, Jorrael blickte mit blankem Entsetzen auf die Chirà, die brutal immer und immer wieder von Schläuchen durchbohrt wurde. Die beiden Verhüllten tuschelten miteinander. „Sie verliert zu viel Blut“, schrie in hysterischem Ton einer der beiden zur Hohepriesterin der Mehdora. Jorrael atmete tief durch und trat beherzt in den Alkoven hinein. Der Beschuss durch die Schläuche hatte aufgehört, die dunkelhäutige Menschfrau schob sich die erzgrün schillernden Ärmel ihres Gewandes hoch und legte ihre feingliedrigen Hände auf den vor Schmerz zuckenden Körper der Chirà, drückte sie in das weiche Fell hinein bis sie die darunterliegende Haut berührten. Grünes Feuer loderte zwischen ihren Fingern auf, als sie ihre Augen schloss. Ein Gebet an Mehdora sprechend floss das grüne Feuer aus ihren Fingern heraus und schien begierig vom zitternden Körper der Regentin aufgesogen zu werden. Die Schläuche in ihrem Körper wanden sich unter der Haut, suchten Nerven-Enden und Organe, verbanden sich mit ihnen unter unsagbarem Schmerz, rissen innere Wunden, die Jorraels heilende Hände bekämpften. Schweiß trat auf die Stirn der Hohepriesterin, ihre Gesichtszüge erstarrten zur ebenso schmerzverzerrten Maske als ihre Kräfte an ihre Grenzen geführt wurden.

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[FAT] Zeitenwende (Teil 3)

Oberstadt @, Thursday, 31. May 2012, 10:08 @ Oberstadt

Heiß und beißend loderte das Feuer des Schmerzes in den Körpern der Ritter. Erschöpfung und der Schmerz immer zahlreicherer Wunden irrlichterten durch die Glieder und Adern. Auch dies war eine Art der Trance, doch anders als die Endrakhas. Der Schmerz ließ Geist und Körper verschmelzen, schürte das gleißenden Licht Delvans in den Herzen der Ritter, doch nicht um unkontrolliert im Rausch auszubrechen, sondern um gezielt in Bewegungen von Muskeln und messerscharfe Konzentration verwandelt zu werden. Die Zahl der Angreifer wurde weniger, doch auch die Bewegungen der Ritter wurden langsamer und mühsamer. Zwei waren bereits überwältigt worden, doch so wie Voran die Lage überblickte, sprach das Verhältnis mittlerweile für die Ritter. Jäh musste er die Einschätzung der Lage unterbrechen, als er mehr spürte als sah wie sich der schwere Schatten einer Keule auf ihn senkte. Mit der Geschwindigkeit chiranischer Reflexe glitt der Ritter des 5. Grades zur Seite, doch die Keule riss ihm das linke Bein an der Wade auf, bevor die Keule donnernd auf den Boden traf. Voran riss die Asnichara herum, noch in der Ausweichbewegung legte er die volle Wucht in die herabschnellende Klinge um den Sragon vor ihm zu zerteilen, doch handelte es sich nicht um einen Sragon, sondern um ein urtümliches, Voran sogar noch überragendes Wesen, das direkt aus einem vermaledeiten Sumpf der Westwildnis gekrochen sein musste, entfernt an ein Echsenwesen erinnernd, doch massiger und voller Pusteln auf der schmutzig braunen Haut. In einer Geschwindigkeit, die nicht natürlich sein konnte, riss das durch die Wucht der Keule vornübergebeugte Wesen einen Arm von der Keule hoch in den Schlag der Asnichara hinein. Bis über die Hälfte des Unterarmes hinweg drang Vorans Klinge in das zähe Muskelfleisch ein, dann überwog die Wucht des Gegenschlages des Wesens, sie riss Voran die Asnichara aus den Händen und die heranschnellende halb abgtrennte Faust der Bestie traf Voran wie ein Teccrakha in vollem Lauf. Der 2,90 Vat große muskulöse und schwere Chirà wurde von den Beinen gerissen und ein, zwei Vat zur Seite geschleudert. Die Rüstung federte den Sturz ab, dennoch wurde Voran die Luft aus den Lungen gepresst und die klare Sicht versagte ihm für einige Herzschläge. Unwillkürlich musste er an Monor und die Trainingsstunden mit ihm denken. Der Exarch der Delvankirche teilte genau solche Schläge aus. Der menschliche Delvanritter sprang in Vorans Lücke und nahm es mit dem Biest auf. Ein ähnlicher Treffer auf den für einen Menschen muskelbepackten, im Vergleich aber zu einem ausgewachsenen Chirà-Mann zierlich wirkenden Delvani hätte diesem trotz Rüstung den Brustkorb zertrümmert, doch der Ritter zweiten Grades platzierte geschickt einige Treffer gegen die Beine des Kolosses, während dieser noch seine Keule emporschwang. Voran, immer noch halb auf dem Rücken liegend sah eine Gelegenheit und riss seinen Arm hoch um damit auf das Echsenwesen zu deuten. Grelles Kreischen dröhnte im tumben Schädel auf, ein Geräusch, das kleinere Wesen außer Gefecht gesetzt hätte, das Monstrum aber nur kurz innehalten ließ. Genug Zeit für den menschlichen Ritter seine Klinge tief im massigen Bauch der Bestie zu versenken und mit einem kraftvollen Ruck das Fleisch aufzureißen. Doch auch dies schien ihn nicht zum Fall bringen zu können, ein wuchtiger Schlag der Keule schoss nur knapp am Ritter vorbei. Voran rappelte sich wieder auf und griff nun selbst zu seinen Torrakhe, richtete im Lauf die Klingen parallel zu den Unterarmen aus und griff in den Kampf ein. Er spürte, wie seine Kräfte ihrem Ende entgegen gingen, sein verwundetes Bein drohte nachzugeben, aber voller brutaler Härte griff er das von Geistmagie besessene Wesen an, das trotz aller Wunden und herausquellenden Eingeweiden weiter kämpfte. Die Gruppe der Angreifer war weggeschmolzen, immer mehr Ritter sammelten sich um das Wesen und umschwärmten es mit blutgetränkten, zerfetzten Umhängen und gleißenden Klingen, zerschnitten es bei lebendigem Leib, während es unaufhörlich um sich schlug.

Jhiataras Schreien hatte aufgehört, ihre Gesichtszüge hatten sich entspannt trotz der Dinge, die die Maschine mit ihrem Körper tat. Sie wurde untrennbar mit dem hoch aufrangenden Zylinder verbunden. Schmerzen verspürte sie keine mehr, dank Jorraels heilender Hände. „Hör auf, es ist gut! Du musst da weg!“ rief schrill einer der Rattlinge und rüttelte an der Schulter Jorraels, doch die Hohepriesterin hatte sich im Fell der Regentin verkrallt, spendete ihr all ihre Kraft.

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[FAT] Zeitenwende (Teil 4)

Oberstadt @, Thursday, 31. May 2012, 10:11 @ Oberstadt

Tränen flossen über die schwarzbraunen Wangen der dunkelhäutigen Frau, schwarze Flecken bildeten sich auf ihren Fingern und ihren Handrücken, es begann nach verkohltem Fleisch zu stinken, die Haut ihrer Hände wölbte sich in Brandblasen auf. Jorrael hörte nur aus der Ferne das Geschrei der Rattlinge, ihre Gedanken gefangen im Fluss des Lebens von ihr zu Jhiatara. Mit einem harten Ruck wurde sie schließlich von einer großen Hand, die sie am Arm packte, aus dem Alkoven gerissen, weg von Jhiatara, die nun ruhig und gefasst mit geschlossenen Augen in sich hinein horchte. Keuchend und zitternd sank die Hohepriesterin der Mehdora in die Arme des Delvanis, der sie weggerissen hatte und nun auf seine Arme nahm, um sie weg vom Zylinder zu tragen und über den Ring auf den Platz. Auch die Rattlinge traten den Rückzug an und flüchteten weg vom Zylinder über den Ring, um auch von diesem zu springen und sich an den Rand des Platzes in Sicherheit zu bringen. Mit Zischen schloss sich die Nische, makellos schien nun die Oberfläche des Zylinders. Dann schraubte sich ein greller Lichtstrahl in den Himmel über Estichà, der Ring hob sich weiter über den Platz bis zur Mitte des Zylinders und von ihm ausgehend rauschte eine knisternde Welle über die Dächer der Oberstadt. Das Echsenwesen, umtanzt von den rotgewandeten Rittern schrie auf als werde etwas aus seiner Seele herausgerissen und pulverisiert, jegliche Kraft wich aus seinen Gliedern und übersät von tiefen Wunden fiel es wie ein zerteiltes Schlachtvieh in sich zusammen und prallte dumpf zwischen den Delvanis auf den trümmerbedeckten Boden.

Weit über den Ozean ist die Lichtsäule über der Stadt zu sehen, wie Vensheger-Himmelslicht und Shaxon A strahlt es bis hinauf zum Himmelsgewölbe vom Herzen der Oberstadt aus.

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[FAT] Dem Jahrtausendschlaf erwacht (Teil 1)

Tafelberg, Friday, 01. June 2012, 22:31 @ Oberstadt

Gebrüll, Rufe und Schreie durchziehen von den Mauern und besonders aus Richtung Hafen die Stadt, die düstere Melodie des Krieges, wie ein Poet den Schlachtgesang Endrakhas nennen würde. Die Situation ist chaotisch, niemand scheint einen Überblick zu haben innerhalb der Stadtmauern. Einige Gerüchte sprechen von einem guten Verlauf der Schlacht auf den Feldern vor der Stadt, andere genau vom Gegenteil. Ein aufziehender Sturm hat schwere Wolken gebracht, die eisige Hand Yoroms hängt über Esticha, sucht sich scheinbar wahllos jene heraus welche, in ihrem eigenen Blute liegend, mit ihm gehen werden. Doch auch die Heiler, egal ob Geweihte der Mehdora oder weltliche sind überall unterwegs, kümmern sich um die Verletzten, suchen sie aus dem Griff Yoroms zu entwinden.

Im Hafen ist eine trügerische Ruhe eingekehrt: Verteidiger und Angreifer haben sich weitgehend getrennt und auf ihre Stellungen am Wasser oder Stadtrand zurück gezogen als das gleißend helle Licht gen Himmel schießt
Das Himmelsfeuer, das als gleißender bläulich schimmernder Strahl aus dem Herzen der Oberstadt in die Höhe sticht, hat neuen Mut aufflammen lassen. Die Oberstadt, Standort der Tempel und uneinnehmbare Bastion Estichàs… von dort kann nur Gutes kommen. So gibt das glühende Fanal über der Stadt Hoffnung, dass die Götter mit denjenigen sind, die die Stadt nicht untergehen lassen wollen. Die vereinigten Heere haben in ihrem Angriff innegehalten, wenige Augenblicke des Durchatmens, immer wieder richten sich die Blicke zurück zum Tafelberg, der sein Licht hinauf in den aufziehenden Sturm schickt und die niedrig hängenden Wolken über ihm zum Leuchten bringt.

In den für wenige Augenblicke abebbenden Lärm der Schlacht hinein und ihn doch übertönend, weit über die Dächer der Stadt schallend, bis hinaus aufs Meer ertönt die Stimme einer Frau. An mehreren Stellen gleichzeitig scheint sie aus dem Nichts zu entstehen und doch erkennt jeder, dass der Ursprung das strahlende Licht sein musst. „Habt keine Furcht“, sind die einzigen Worte, die gesprochen werden. In der Stimme liegt Leiden, Schmerz, die Worte im klarsten Chirjeya der Allianz gesprochen.

Spätestens jetzt nach Vernehmen der Stimme wenden sich die meisten draußen vor den Toren der Stadt zum Tafelberg um. Vier Donnerschlägen gleich erhebt sich ein neues, gewaltiges Geräusch, ein ohrenbetäubender, tosender Knall berstenden Gesteins, überrollt den Kampfeslärm, verschluckt ihn gänzlich, läßt Freund wie auch Feind für den Augenblick eines Blinzelns innehalten, auch den letzten Kopf in die Richtung wenden aus der man die Schläge vernommen hat - zum Tafelberg. Ein Schauer an Gestein und Schutt geht auf die gepeinigte Stadt hernieder. Aus den vier Flanken des Berges haben sich ebenso viele gewaltige, metallische Dornen geschoben und dabei das Gestein weggesprengt, teils gewaltige Brocken, teils nur mehr Körner, fallen vom Himmel, treffen in Sashtinva, in der Unterstadt und Maniyara auf die Häuser, Straßen und Gassen. Einzelne Dächer werden durchschlagen, Trümmer regnen und rutschen von Dächern, die dem Regen aus Gestein standhalten konnten, in die Straßen.

Gerade glaubt man das Schlimmste überwunden zu haben, als erneute Detonationen zu vernehmen sind, mehrere diesmal, ebenfalls vom Tafelberg, abermals gefolgt von einer Welle an steinernen Geschossen die sich unbarmherzig, ihrer eigenen Flugbahn folgend, ein Ziel suchend die gebeutelte Stadt treffen. Doch dieses Mal sind die Geschosse nicht allein, werden sie von etwas begleitet das bisher die wenigsten Wesen der Röhre erlebt haben. Ein Zittern geht durch die Stadt, es beginnt der Boden unter den Füßen zu beben, bringt die Bewohner aus dem Gleichgewicht, läßt sie schwanken, ebenso wie Tiere, Häuser, Fuhrwerke, Fässer, Schilder an den Geschäften, einfach alles was nicht frei in der Luft zu fliegen vermag. Schindeln lösen sich von den Dächern, vermischen sich mit den steinernen Geschossen des Oberstadtfelsens und zerschellen auf den Straßen und Gassen. Risse bilden sich in Gebäuden, hielten sich die Bauten nicht aneineinander fest und wären sie nicht wie die Waben eines Bienenstocks eng aneinandergebaut, fielen die älteren von ihnen in sich zusammen.

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[FAT] Dem Jahrtausendschlaf erwacht (Teil 2)

Tafelberg @, Friday, 01. June 2012, 22:33 @ Tafelberg

Deutlich schwächer das Zittern, je weiter weg man dem Felsen ist, auch die herabprasselnden Geschosse finden hier kein Ziel mehr, reicht die Wucht nicht aus. Glücklich jene die hier verweilen, doch sind sie es wirklich? Hilflos sehen sie die Geschosse einschlagen, obgleich ihnen eine Staubwolke zusehends die Sicht auf das Innere der Stadt versperrt. Den Leuten, welche sich auf der Mauer befinden, wird das Ausmaß bereits jetzt deutlich vor Augen geführt und auch die Teilnehmer der Schlacht vor den Toren sehen aus der Ferne, was geschieht. Nach den hervortretenden silbernen Dornen, wird auf jeder der Flanken des Felsens, in alle vier Himmelsrichtungen, Gestein aus seinem Innern heraus weggesprengt, reißt einen Teil der Rampe, die in Serpentinen an der Südflanke in die Oberstadt hinaufführt, mit sich und schleudert sie über den nördlichen Teil der Unterstadt und den Oberen Markt. Immer wieder lösen sich Platten von Gestein von der Mitte der Felswände und rutschen hinab, begraben die Gebäude unmittelbar an ihrem Fuß in der Vochà Jeltrias.

Doch nicht nur an der Südflanke des Berges regnen Trümmer auf die Stadt, auch aus dem Zentrum der Ost- und Westfelswand bricht Gestein in einer Explosion hervor, so als sprenge etwas von innen gewaltige Löcher heraus. Der Tempel der Jhoulana hält den Erschütterungen, die sich direkt unter ihm ereignen, nicht mehr stand, Wände stürzen ein und ein Teil des Bodens rutscht samt gut der Hälfte des Tempels die Steilwand hinab, Trümmer regnen auf die Gärten der Tempelstadt Maniyaras, die hohen Kuppelbauten aus archaischen Zeiten, die sich dort erheben, bleiben jedoch größtenteils verschont. Übertroffen wird dies alles jedoch dadurch, was sich in Sashtinva abspielt. Wenn auch die Sicht immer mehr versperrt wird, erkennt man doch schemenhaft die Zerstörung die hier passiert. An dieser Seite des Tafelberges erhebt sich der Boden vom Hafen her aufsteigend bis knapp zur Hälfte der Höhe des Tafelberges und so findet die Explosion knapp über den Dächern des Viertels statt. Gewaltige Brocken Gesteins reißen die Obergeschosse manches Hauses mit sich, reißen Dächer ein und lassen Dachstühle samt Ziegeln und Mauern in die Gassen hinabprasseln. Durch die terassenförmige Bauweise fallen Teile der höher liegenden Häuser auf die Dächer der tieferliegenden oder füllen ganze Gassen mit Schutt. Einige der Brocken jedoch fliegen so weit, dass sie bis ins Meer hinaus geschleudert werden und dort in einer Kaskade von Geschossen niedergehen, Wassersäulen aus Gischt steigen überall dort auf, wo ein Felskoloss in der Tiefe versinkt.

Egal wo in der Stadt man sich befindet, keiner vermag zu sagen wie lange der Schrecken dauert, waren es nur Sekunden, oder gar Minuten, endlos, so erscheint es. Und doch, das Zittern nimmt ab, Staub beginnt sich zu legen, Ruhe kehrt ein, angespannte Ruhe. Eine dicke Staubwolke umhüllt noch den Berg, doch nimmt dieser langsam ab, rieselt auf Trümmer und Verletzte oder wird von Sanikas Atem hinfortgetragen um den Blick auf das freizulegen was passiert ist. So gleiten viele Augen zunächst in Richtung der Oberstadt, wo die Zerstörung seinen Anfang genommen hat. Unverändert jedoch der erste Eindruck des Plateaus, die Türme der Tempel der Endrakha und Delvan sind unzerstört, die Kuppel des Hostinostempels schimmernd im Licht des immer noch glühenden Himmelsfeuers über der Stadt. In der Mitte der Felsflanken des Südens, des Westens, des Ostens und vermutlich auch des Nordens jedoch haben sich aus den herausgesprengten gewaltigen Höhlungen dumpf metallisch glänzende, sanft nach außen gewölbte Schilde geschoben. Mehr breit als hoch prangen sie dort, etwa ein Drittel der Weite der gesamten Felswand einnehmend, makellos auf ihrer Oberfläche. Wo über Jahrhunderte, ja Jahrtausende nur der schlafende Fels zu sehen war, wirkt der Felsen nun wie ein gerüstetes Bollwerk, in alle vier Richtungen die leicht nach außen gewölbten, mattgrau glänzenden Schilde gereckt, die Sprenglöcher in der Felswand hinter ihnen verdeckend.

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[FAT] Dem Jahrtausendschlaf erwacht (Teil 3)

Tafelberg @, Friday, 01. June 2012, 22:36 @ Tafelberg

Erneut ertönt ein Geräusch über der Stadt, diesmal jedoch nicht das eines Bebens und auch keine donnernden Schläge, sondern ein elektrisierendes Knistern. Ein feines Glühen überzieht die titanischen Schilde. Im selben Augenblick erhebt sich Geschrei aus dem Heer der Sragon, wie eine Welle zieht es sich über die Feinde, immer wieder bäumen sich einzelne aus den Reihen auf und brechen zusammen, vereinzelt fallen glänzende Kristalle verschiedener Farben zu Boden, immer weiter setzt sich die Welle der Agonie fort und fegt über die Reihen des Gegners, rund um die Stadt, nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch im Hafen. Als die Welle den verbliebenen Hexenschlitten trifft, bricht die Macht der Feuersäule unmittelbar in sich zusammen, ein spitzer Schrei ist von dort zu hören, der Rest geht in unkoordinierter Panik dort unter. Desorientierung ergreift das Heer der Angreifer, Angst greift um sich als so viele ihrer machtvollsten Zauberer und Berserker von der Macht der Kristallgötter verlassen werden.

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[FAT] Die Macht des Orakels (Teil 1)

Tafelberg @, Saturday, 16. June 2012, 21:01 @ Tafelberg

Vor den Stadttoren kehrte eine gespenstische Ruhe ein. Nur noch vereinzelt gab es Kämpfe, weit im Süden setzten Gruppen der Priesterkaste, vor allem Endrakhapriesterinnen und Delvanritter Fliehenden nach, doch jene, die den Rodungsgürtel rund um die Stadt verlassen konnten und sich in die Wälder schlugen, wurden nicht weiter verfolgt. Die Tore der Stadt wurden geöffnet und Verwundete vom Schlachtfeld geholt, so sie sich nicht selbst mühsam der Rettung versprechenden Stadt nähern konnten, über der sich das gleißende Fanal aus dem Herzen der Oberstadt in den sturmwolkenverhangenen, düsteren Himmel bohrte. Sturm peitschte über die Stadt und verwandelte das Schlachtfeld zusehends in eine Misere aus Schlamm und Matsch. Der Regen begann, den Schutt und Staub von den Dächern der Stadt zu waschen und in die Straßen zu tragen. Einige Häuser direkt am Fuße des Felsens waren von herabrutschenden Teilen des Tafelberges begraben worden, bei anderen wurden glücklicherweise nur die Dächer beschädigt. Doch am Hafen wurde weiterhin gekämpft, immer bedrohlicher wurde dort die Lage. Sragon strömten in die Stadt hinein, mutig stemmten sich die Verteidiger dagegen, schlugen Gegenangriffe und doch peitschte ihnen der Sturm in die Gesichter, fast schmerzhaft ging auf sie der unnatürliche Regen nieder, hohe Wellen und Gischt, die den Hafenplatz schon unter Wasser gesetzt hatten. Sollte all das Ringen vor den Mauern Estichàs umsonst gewesen sein und die Stadt nun doch noch vom Hafen aus fallen?

Auch der Deradan-Platz inmitten der Oberstadt glich einem Schlachtfeld, übersät von Trümmern und Toten eines erbittert geführten Kampfes. Jorrael, Mehdora-Hohepriesterin Estichàs war in eine gnädige Ohnmacht versunken, die sie die Schmerzen, die von ihren heilenden Händen ausgingen, nicht mehr spüren ließen. Die Ritter des Delvan, nur langsam nach dem Kampf um den Platz wieder zu Kräften kommend, sammelten sich um die fremdartigen Wesen, die so sehr an aufrecht gehende Ratten erinnerten. „Es ist geschafft“, richtete eines von ihnen das Wort an Voran, der erschöpft den Helm von seinem chiranischen Haupt zog. Dieser schüttelte den Kopf. „Die Schlacht ist noch nicht vorbei. Der Kampf vor der Stadt ist gewonnen. Aber der Hafen geht gerade zu Lijan.“, fasste Voran das zusammen, was er über den Äther von Monor und den Schlachtberichterstattern vernommen hatte. Die im Vergleich zu dem hoch aufragenden chiranischen Ritter kleine Gestalt blinzelte mit ihren Knopfaugen durch den Regen zu Voran hinauf. “'Habt keine Furcht' hat das Orakel gesagt.“ Und der Rattling lächelte.

Knapp vor der Küste, unberührt vom Sturm lag das düstere Gebilde im Wasser, wie ein Berg thronte es in den Wellen vor der Stadt. Ein unnatürliches Konglomerat aus verkanteten Riesenstämmen, sich auftürmenden Ästen, scheinbar auf dem Wasser wurzelnden Baumriesen, zwischen denen Plattformen errichtet waren. Blutige Rituale liefen dort ab, zahllose Leben und Seelen wurden aus zuckenden Leibern herausgerissen, um den Hunger der Sragonpriesterinnen zu stillen, die Welle um Welle vernichtender Kristallmagie der im Sturm kaum noch sichtbaren Küstenstadt entgegenschickten. Das Leuchtfeuer aus der Oberstadt schraubte sich trotzig in den vom Unwetter schwarzen Himmel, es stemmte sich als Licht der Hoffnung gegen die Dunkelheit, die von dem riesenhaften Geisterfloß ausging. Von dort aus wurde auch der Angriff auf den Hafen gelenkt, der den dort verzweifelt und tapfer kämpfenden Eluriern, Vorovisianern, Allianzlern und Gilgatern das Genick brechen könnte.

Ein sich steigerndes Wispern durchbrach den Sturm. Wie schon zuvor, als die Frauenstimme überall auf dem Schlachtfeld und in der Stadt zu hören war, entstand das Geräusch in der Luft, neben und über den Verteidigern der Stadt. Das Wispern erstarb, dann erklang in klarstem, vertrautem Chirjeya nur ein Wort, doch mit solcher Entschlossenheit gesprochen, wie eine Tatsache, die im Tiefsten der Welt verankert ist, wie ein Gesetz, dem sich jeder zu beugen hat: „Genug.“

Noch hallte dieses Wort in den Köpfen der Kämpfer nach, als sich einer der vier matt schimmernden viele Dutzend Meter breiten Schilde, die sich aus der Flanke des Tafelbergs hervorgeschoben hatten mit einem flimmernden, irisierenden Leuchten überzog. Es war jener Schild, der sich scheinbar unberührt vom Sturm dem Meer entgegenstreckte. Blicke wandten sich zu der neuen Lichtquelle, die vom über Sashtinva hängenden gewölbten Schild ausging, wer es noch nicht sah, wurde durch Rufen und Deuten darauf aufmerksam gemacht und auch die Sragon im Hafen hielten für einen Moment inne, um zu dem titanischen Gebilde aufzublicken, das sich dort erstreckte, wo in den vergangenen Jahrtausenden nur das schlichte Grau des Felsens zu sehen gewesen war.

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[FAT] Die Macht des Orakels (Teil 2)

Tafelberg @, Saturday, 16. June 2012, 21:03 @ Tafelberg

Das Leuchten verstärkte sich, überzog die ganze Fläche, konzentrierte sich in seinem Zentrum. Ein Knistern war zu hören, das die Nackenhaare sich aufstellen ließ, dann schoss das Leuchten nach drei Seiten in die Dunkelheit hinein, nach Süden, Norden und in die Höhe in den Sturm hinauf, als dunkelblaues Leuchten schien es in das Dämmerlicht davonzueilen, beschrieb jedoch einen Bogen, löste sich vom Schild und eilte über das Meer. Über dem Meer, einen weiten Bogen beschreibend zog sich das dunkle Schimmern in die Höhe so als wolle es eine Kuppel über der Stadt errichten, immer deutlicher wurde die Form, die das Wunder errichtete.

Das Leuchten zog sich als weite, geschwungene Linie über die Wogen, raste in atemberaubender Geschwindigkeit über das Wasser, schloss sich zusehends an Kraft gewinnend als vollkommener Kreisbogen mit der Oberstadt als sein Zentrum - genau dort wo die künstliche Insel des dämonischen Geisterfloßes vor der Stadt lag.

Als habe ein Titan mit seinem glühenden Schwert einen Hieb getan brach ein Inferno über die Basis der Priesterköniginnen herein. Wo der Leutschirm, der sich als Halbkuppel über dem Meer zum Schutze der Stadt aufbaute, sich durch die Dämoneninsel fraß, ging sie, obwohl sie von Wasser und Regen durchnässt war, in Flammen auf, heißer Dampf riss Bäume und Holz auseinander, mit lautem Ächzen und Kreischen wurden Stämme in gleißendem Licht zerteilt bis hinab auf ihren Grund, Seile und Stützstämme rissen und barsten, tief im Leib der schwimmenden Insel verborgene Kavernen wurden vom blauen Leuchten wie mit einem Schwerthieb durchteilt und wer nicht unmittelbar von der Macht des Schutzschildes der Stadt zerteilt wurde, wurde vom überall aufsteigenden heißen Dampf zerrissen.

Von der Stadt aus war das Inferno überdeutlich zu sehen: Wo sich sonst über den Wellen eine leuchtende, in den Himmel und sich langsam als Kuppel über die Stadt wölbende Mauer aus dunkelblau schimmernden Licht erhob, schossen, wo diese Mauer mitten durch das Geisterfloß hindurch führte, Dampfexplosionen und Stichflammen in die Höhe, Donnern rollte den Sturm noch übertönend über das Meer als es das Geisterfloß vor der Stadt zerriss und die künstliche Insel, mittendurch zweigeteilt, langsam in den Sturmfluten versank und sich seine Trümmer auf den Wogen verteilten.

Nur langsam begriffen jene, die das Inferno vor der Stadt sahen, was geschehen war, doch als deutlich es wurde, dass das Ungeheuer vor der Stadt, von dem aus die Vernichtung über den Hafen hereingebrochen war, vernichtet worden war, brach erleichterter Jubel aus. Der dunkel schimmernde Schirm über den Wellen dämpfte auch den Sturm, unmittelbar ließ der peitschende Regen nach, das in den Hafen eingedrungene Wasser zog sich, da nun kein Sturm es mehr in die Stadt drückte, zurück. Keine dunkle Magie mehr, kein Zorn der Elemente, der die Verteidiger hemmte, kein aussichtsloser Kampf mehr gegen Dämonen, nein, jetzt zählte allein der Wille der Estichaner, ihre Heimat zu retten - und ihr gerechter, ja heiliger Zorn.

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