Kneipenpoesie [Nachtrag vom 29.4.] (Untermarkt)

Müder Zecher , Tuesday, 01. May 2012, 12:51

Als der Wirt mitten in der Nacht den Laden schließt, und sich selbst zum Schlafe herniederlegt, wird er eines dunklen Kopfes gewahr, der aus einem nahen Hauseingang hervorlugt. Der Instinkt einer nahen Gefahr wird durch die Ahnung eines feinen Merrijhageruchs vertrieben, der sich durch die mittlerweile erkalteten Dünste der Kneipe zu ihm durcharbeitet, und den sein ermüdeter Geist gedanklich mit der feinen Rauchfahne verknüpft, welche sich wie ein weißes Band zum Firmament emporschlängelt. Er zuckt die Schultern, lässt den Streuner Streuner sein, und schließt die Tür.

An diese Episode wird er sich einige Stunden später erinnern. Im hellen Schein der Soa eröffnet der Wirt das Lokal für die ersten Kunden, die für ein Getränk oder eine frühe warme Mittagsmahlzeit manchmal hereinschneien, und entdeckt einen lädierten Zettel an der Tür. "Wusste ichs doch.", murmelt er verärgert, und eine Schutzgelderpressung oder einen Scherz befürchtend, greift er das Pamphlet, knüllt es, und reisst es von der Tür, um es in die nahe Gosse zu werfen, wo es der baldige Regen sicher bald durchweichen und die ärgerliche Botschaft der Unleserlichkeit preisgeben wird.

Dabei sind es nur ein paar wenige, ganz und gar nicht materialistisch wirkende Zeilen, die unegal enden und dennoch in einer zwar etwas launischen, aber doch eigentlich ordentlichen Handschrift verfasst sind.

"Ich lasse

die Gestade vergangener Hoffnungen
einfach im Nebel des Frühmorgens stehen

und wende mich ganz

der Scherbenwüste zu, über welcher einst
eine bunte Decke lag, übersäht mit freudigsten Ornamenten.

Nun bist Du entblöst.
Ganz Du,

kahl, allein, dunkel, kalt.

Und das ist Deine Hoffnung,
ganz Du zu sein

niemandem zu Gefall, niemanden zum Verderben
und nur Dir selbst zum Zweck"