Viel ist zu dieser nächtlichen Stunde nicht los in den Straßen und Gassen, treibt sich allerhöchstens noch diverses Gesindel herum. So auch die großgewachsene Gestalt die sich ihren Weg durch das Hafenviertel bahnt. In mehreren Lagen löchrige und zerlumpte Tücher gewickelt, wankt sie beinahe in eine Seitengasse, schaut sich dabei immer wieder um als erwarte sie Verfolger, wer auch immer so eine Lumpengestalt verfolgen sollte. Selbst um dem Kopf herum ist ein Tuch gewunden, verdeckt das Gesicht das nur mehr die Augen herausschauen. Strenggenommen nur ein Auge, das andere wird von einer Augenklappe verdeckt. Schnell ist die, leise vor sich hinmurmelnde, Gestalt nicht unterwegs mit ihrem eingeschlagenem Zickzackkurs, aber immerhin kommt sie überhaupt voran.

Die Nacht spuckt die unterschiedlichsten Gestalten in die Gassen, ob Vertraute der Schatten, oder verirrte Lichthuldiger, in der Dunkelheit manifestieren sich die Schemen erst zu greifbaren Umrissen, wenn der Gestank des Bettlers einem schon in der Nase hängt, oder der Dolch des Straßenräubers bereits an der Kehle sitzt.
Die Gestalt, die dem zickzack-torkelnden Lumpehnhaufen entgegen schreitet, scheint sich hier zumindest nicht unwohl zu fühlen, erklimmt sie gerade eine Treppe aus der unteren Ebene, die Hände in die Hosentaschen geschoben und die Schultern vorgeneigt, wie ein streitsüchtiger Bulle. Wenige würden wohl die Priesterin der Endrakha hinter der schmal-hochgewachsenen Gestalt vermuten, scheint sie doch zivil unterwegs zu sein, ohne die lederne Rüstung und sichtbare Waffen, die sonst struppig dahin krausenden Locken streng zu einem winzigen Zöpfchen gebunden und die Augen hinter unnatürlichen Schatten verborgen.
Mit unverkennbar böswilliger Absicht rempelt sie den Vermummten schließlich an, rammt ihre knochige Schulter gegen das schwankende Gleichgewicht und fährt anschließend ganz erwartungsgemäß und ihrem querulanten Ruf entsprechend herum. "He, du Pisser. Hast' keine Augen im Kopf?" schnauzt sie ihn an, stockt jedoch, als ihr Blick auf die Augenklappe fällt und hebt in einer trocken-humoristischen Mimik die Augenbrauen. "Wie makaber." freut sie sich vollkommen emotionslos über diese Spontankomik.

Trotz des Zustandes und der Einäugigkeit, versucht der Lumpenhaufen auszuweichen, viel zu spät als das es Wirkung hätte zeigen können. "Ohhhoh... Ne.. nich immer schub-schubsen," entfährt es dem Einäugigen in einem lallend-genuscheltem Murmeln. Von der Wucht in Mitleidenschaft gezogen kämpft er mit dem Gleichgewicht, strauchelt in hastigen Bewegungen seitlich davon. Vermutlich wäre er gefallen hätte ihm nicht die nahe Wand geholfen und das Straucheln beendet. "Oh.. tschul-tschuldigung," nuschelt er abermals, was in diesem Fall beinahe einem langezogener Brummton gleicht, und löst sich von der Wand, dem vermeintlichen Passanten den er nun wieder angerempelt hat. "So.. so viel lo-s hier." Torkelnd setzt die Gestalt den Weg fort, zieht nur das Tuch etwas fester um seinen Kopf. Zielsicher wie man es erwarten kann, steuert der Lumpensack die nächste Hausecke an, war der Eingang der nächsten Gasse für seinen starken Seegang schlichtweg zu schmal. Es brauchte keinen rempelnden, streitsüchtigen Bullen, das schaffte der Mann auch gut allein. Wieder ist es die Schulter die erwischt wird, in diesem Fall von der Ecke des Hauses. "Niiiich schub-sen.. maaaaan." Auch in diesem Fall macht er hastige Schritte zur Seite um einem eventuellen Sturz abzufangen, schafft es diesmal auch. "Kischhh.. Kischhhh." Mit den Händen fuchtelt er neben sich durch die Luft als wolle er jemanden oder etwas verscheuchen. Unter den Lumpen strafft sich die Gestalt, versucht abermals ihren Weg zu folgen. "Kann das all-allein, bin.. bin scho-n groß."

Gleich einer Katze, die sich daran erfreut, wie die Maus durch einen gezielten Tatzenschlag zum Spielball ihrer raubtierhaften Gelüste wird, verfolgt die Jägerin nun das Geschwanke des Mannes aus glimmenden Augen. Der lumpige Haufen stellte mit Sicherheit keine lohnenswerte Beute dar, nichtmals um einen sadistischen Spieltrieb zu befriedigen, doch etwas scheint das Interesse der Jägerin zu halten, verengen sich ihre Augen doch verhängnisvoll kritisch und der Kopf neigt sich während der forschen Musterung argwöhnisch zur Seite.
So bleibt der belanglose Einäugige verwunderlicher Weise weiterhin das Ziel der Aufmerksamkeit der Jägerin und sie folgt ihm lauernd in die Dunkelheit...

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