Eine dieser Nächte... (Seitengassen)
Dunkle Wolken hängen über der elurischen Hauptstadt und nur einer der fahlen Monde erleuchtet einsam die
Straßen, die sonst von der Dunkelheit verschluckt werden würden. Es ist eine dieser Nächte, wo untreue
Ehemänner das verbotene und Trunkenbolde ihr Unwesen treiben. Eine dieser Nächte, in denen die
Seitengassen noch rotbrauner vom Essen derjenigen sind, die ihren Hunger und ihren Frust mit dem Gesöff
vertreiben wollen, das ihnen die Reichen der Stadt übrig lassen.
Ein junger Mann, es könnte ein Sra-Men von eher schwacher Statur sein, torkelt zu dieser Zeit an den
grauen Häuserwänden der ärmeren Viertel vorbei, hält sich an ihnen fest, um nicht im Dreck zu landen.
Seine dunkelgrünen Schuppen auf Stirn und Kinn leuchten so hell in der Nacht wie seine roten Wangen und
gerade als er droht, das Gleichgewicht zu verlieren, greift er mit der dünnen Hand ins leere, in den
Eingang einer Seitengasse. Ohne jeglichen Schutz knallt der Sra-Men auf das harte Pflaster und die Kotze
all' derjenigen, die in dieser Nacht schon an dieser Gasse vorbei gekommen sind, fließt um seinen
Körper. Schwach, regungslos liegt er da, rührt sich nicht.
Doch was passiert? Der junge Mann liegt bewusstlos in der Gosse und nichts passiert.
In Vorovis hätte man diesen schwachen Wicht wieder aufgeweckt und in vier Teile geteilt, bevor sein Hab
und Gut den Reichen in die Hände geflossen wäre.
In Gilgat, wo Straßenkinder für jeden Schwachsinn bezahlt werden, hätten diese dem Mann das letzte Hemd
abgerissen, um sich ein besseres Leben zu machen.
Und in Estichà? Hier passiert nichts. Niemand, der den armen Tropf ausraubt, niemand, der ihn auslacht,
niemand, der das Schicksal dieses Mannes erst gar nicht soweit hätte kommen lassen. Und so verreckt er;
verreckt an der Kotze anderer, die auch nur Opfer des Reichen Volkes Eluriens sind und ihren Frust mit
billig gebranntem Schnaps ertränken wollen.
Gar nicht so weit entfernt, im Hafenviertel, steht ein Haus, gebaut auf der Last der Armen und dem Profit
der Reichen. Hier werden Geschäfte geschlossen, die die Taschen des Adels noch mehr füllen und die der
Armen verschwinden lassen sollen. Es sind drei Fahnen, die für die Förderung von Armut, Ausnutzung der
Schwachen und Reichtum für die Reichen stehen. Eine Organisation, die über Leichen gehen würde, um noch
mehr Profit zu erwirtschaften.
Und selbst in dieser Nacht, in der unschuldige Bürger, dahingerafft von der Profitgier anderer sterben,
brennt in den Drei Fahnen noch Licht. Ein vereinzeltes Licht, dass anscheinend die Gunst der Dunkelheit
nutzt, um krumme Geschäfte abseits der Gerechtigkeit zu verrichten.
Gerade schiebt sich eine Wolke vor den letzten, fahl leuchtenden Mond und taucht die Straßen Estichàs in
Vesanas Schleier, als drei Gestalten aus einer nahegelegenen Seitengasse zum Eingang dieses monströsen
Baus huschen und darin verschwinden. Ist zu so später Stunde die Tür eigentlich nicht verschlossen...?
Das Licht im ersten Flur flackert einige Augenblicke später wild auf und verlischt. Nichts außer die
pure Dunkelheit geht noch von diesem Ort aus und es sind vielleicht 10 Minuten verstrichen, als die drei
Gestalten das Gebäude wieder verlassen. Sie sind schon längst verschwunden, als wieder ein schwach
flackerndes Licht im selben Fenster erscheint und nur wenige Minuten später für immer verlischt...
Ein Augenpaar...
Im Schatten eines der verwahrlosten Hafenhäusern beobachten zwei gelbe Punkte das ominöse Treiben - unbeteiligt und doch stört kein Blinzeln seine Aufmerksamkeit. Als die drei Gestalten das Haus verlassen, drückt sich eine verhüllte Gestalt fest gegen den kalten Stein, lässt einige Zeit vergehen und tritt dan für einen kurzen Augenblick in das fahle Licht einer Laterne. Dann spurtet sie hastig davon.